NOTIERT IN PARIS

Ein langer Streik, ein teurer Streik

Es ist ein Ritual, das die Franzosen seit mehr als einem Monat begleitet. Seit Beginn der Streiks gegen die von Präsident Emmanuel Macron geplante Rentenreform gibt es immer nachmittags eine Vorhersage, wie der Betrieb der Staatsbahn SNCF und des...

Ein langer Streik, ein teurer Streik

Es ist ein Ritual, das die Franzosen seit mehr als einem Monat begleitet. Seit Beginn der Streiks gegen die von Präsident Emmanuel Macron geplante Rentenreform gibt es immer nachmittags eine Vorhersage, wie der Betrieb der Staatsbahn SNCF und des öffentlichen Nahverkehrsbetreibers RATP in Paris am Folgetag von dem Arbeitskampf beeinträchtigt sein werden. Es gibt zwar leichte Verbesserungen, aber Metros und Vorortzüge in der französischen Hauptstadt sind weit davon entfernt, normal zu fahren. Bis auf zwei Metrolinien funktionieren die anderen nur während eines kurzen Zeitfensters. Und das, obwohl nun nach dem Ende der Weihnachtsferien viele Franzosen wieder arbeiten müssen.Präsident Macron steht auch deshalb vor einer entscheidenden Woche. Seine Regierung will die Gespräche mit den Sozialpartnern über die Reform am heutigen Dienstag wieder aufnehmen. Er hat bereits angekündigt, dass er an dem Projekt festhalten will. Die Gewerkschaften wiederum sind fest entschlossen, weiter zu streiken. Laurent Brun von der Eisenbahnergewerkschaft CGT Cheminots rief am Wochenende andere Branchen auf, sich dem Arbeitskampf anzuschließen.Doch je länger der Streik dauert, desto mehr schwindet auch die Zustimmung der Bevölkerung. In Paris ist die Stimmung bereits vor Weihnachten immer aggressiver geworden. Viele Berufstätige aus der Metropole mit ihren zwölf Millionen Einwohnern blickten dem Ende der Ferien wegen des erwarteten Chaos im öffentlichen Nahverkehr mit großen Bauchschmerzen entgegen. Laut einer gerade von Ifop für die Sonntagszeitung JDD veröffentlichten Umfrage unterstützen deshalb inzwischen nur noch 25 % der Franzosen die Streiks gegen die Rentenreform und 19 % hegen Sympathie für den Arbeitskampf, nachdem es Anfang Dezember noch 36 % beziehungsweise 20 % waren.Inzwischen wünschen 45 %, dass die Regierung die Reform durchzieht. Es sei ein ganz anderer Kontext als bei den drei Wochen dauernden Streiks gegen Reformen 1995, meint Frédéric Dabi, der stellvertretende Generaldirektor von Ifop. Damals sei die Unterstützung für den Streik immer stärker geworden, je länger der gedauert habe. Der aktuelle Arbeitskampf hat mittlerweile auch den Rekord von 1986/1987 gebrochen, als bei der Bahn 28 Tage lang gegen neue Gehaltssysteme und Berufsstatuten gestreikt wurde.Die Proteste kommen viele Betriebe teuer zu stehen. Restaurants und Einzelhändler in der französischen Hauptstadt klagen über Umsatzeinbußen. So sagten viele Unternehmen Veranstaltungen vor Weihnachten ab. Sie könnten nun auch ihre traditionellen Neujahrsempfänge annullieren, aus Angst, dass viele Teilnehmer angesichts des andauernden Verkehrschaos absagen. Der Verband unabhängiger Hotels und Restaurants GNI schätzt den Schaden für die Branche auf rund 740 Mill. Euro. Die Bahn SNCF hat nach eigenen Angaben schon mehr als 1,4 Millionen Fahrgäste entschädigt, oft mit Gutscheinen. Der Streik koste die Staatsbahn pro Tag rund 20 Mill. Euro, sagt SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou. Seit Beginn des Konflikts sind das bereits 660 Mill. Euro. Bei dem Metrobetreiber RATP summieren sich die Umsatzausfälle inzwischen auf 99 Mill. Euro.Die Pariser Oper wiederum beziffert die Einnahmeverluste auf mehr als 12,3 Mill. Euro. Auch sie wird seit dem 5. Dezember bestreikt, so dass sie bereits mehr als 63 Aufführungen auf ihren drei verschiedenen Bühnen absagen musste. Ihre Mitarbeiter profitieren bisher von den sogenannten Spezialrenten, die nun durch die Zusammenlegung der vielen verschiedenen Rentensysteme in einem einheitlichen Gebilde abgeschafft werden sollen. Bisher dürfen Musiker der Pariser Oper mit 60 Jahren in Rente gehen, Chorsänger und einige technische Mitarbeiter mit 57 und Tänzer mit 42. Um die Rentenkasse der Pariser Oper auszugleichen, muss der Staat jedes Jahr rund 14 Mill. Euro zuschießen.Finanzielle Unterstützung bekommen auch die Streikenden. Die Gewerkschaften füllen ihre Streikkassen, damit sie den Arbeitskampf fortsetzen können. Allein die CGT hat seit dem 5. Dezember bereits mehr als 1,8 Mill. Euro eingesammelt. Dazu kommen diverse Sammeltöpfe im Internet und Streikkassen anderer Gewerkschaften.