PERSONEN

Ein Niederbayer greift nach den EU-Sternen

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 9.11.2018 Manfred Weber ist ein großer Schritt auf dem Weg an die Spitze der EU-Kommission gelungen. Auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) wurde der 46 Jahre alte CSU-Politiker zum...

Ein Niederbayer greift nach den EU-Sternen

Von Andreas Heitker, BrüsselManfred Weber ist ein großer Schritt auf dem Weg an die Spitze der EU-Kommission gelungen. Auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) wurde der 46 Jahre alte CSU-Politiker zum Spitzenkandidaten der christlich-konservativen Parteienfamilie für die Europawahl im Mai 2019 gewählt. Überzeugende knapp 80 % der Delegiertenstimmen erhielt der Niederbayer in Helsinki und ist damit nun klarer Favorit für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der Europäischen Kommission. Weber wäre der erste Deutsche in dem Amt seit mehr als einem halben Jahrhundert, seit den Jahren von Walter Hallstein als erster Vorsitzender der damaligen Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.Webers Gegenkandidat, der frühere finnische Ministerpräsident Alexander Stubb (50), heute Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB), der ohnehin als Außenseiter galt, hatte auf dem EVP-Kongress keine echte Chance. Weber präsentierte sich als “Brückenbauer”, der auch ein Vertreter der “kleinen Leute” sein wolle. Das Europa von heute müsse ein “Europa der Bürger” werden, betonte der Ingenieur in Helsinki. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte nach der Wahl, Weber habe in einer “wunderbaren Rede die Brücke geschlagen zwischen der eigenen Heimat und der europäischen Aufgabe”.Weber, der innerhalb seiner Partei dem gemäßigten Flügel angehört, sitzt schon seit 2004 im EU-Parlament. Seit 2014 führt er dort die EVP-Fraktion, die derzeit und voraussichtlich auch ab 2019 wieder größte Fraktion. Kritiker verweisen darauf, dass der stellvertretende CSU-Parteichef, der sich zwar in Brüssel, aber kaum darüber hinaus einen Namen gemacht hat, nie eine größere Behörde geleitet hat und nie Regierungschef oder zumindest Minister gewesen ist. Dass er eine Behörde mit weit über 30 000 Mitarbeitern führen kann, davon sind längst nicht alle überzeugt.Auf einen anderen Punkt verweist der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold, der Weber als “verlässlichen und freundlichen Kollegen” lobt, mit dem man trotz starker inhaltlicher Differenzen gut zusammenarbeiten könne. “Aber Weber ist auch Brückenbauer zu Europas Rechtspopulisten”, kritisiert Giegold. Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD, der in dem verheirateten Katholiken einen schwachen Bewerber sieht, wird noch deutlicher: “Weber ist der Spitzenkandidat Orbáns.” Und die Kumpanei der Weber-EVP mit Rechtskonservativen und Nationalisten höre nicht bei dem ungarischen Ministerpräsidenten auf.Für die CSU, die nur fünf Abgeordnete im aktuellen EU-Parlament hat, ist Webers Wahl auf jeden Fall ein großer Erfolg. Im anstehenden Wahlkampf wird er wohl auf den aktuellen ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, den Niederländer Frans Timmermans, treffen. Der 57-Jährige wird voraussichtlich Anfang Dezember von den europäischen Sozialdemokraten zum Spitzenkandidaten gekürt. Sein Konkurrent, der aktuelle EU-Energiekommissar Maros Sefcovic, hat seine Kandidatur diese Woche zurückgezogen.Ob die europäischen Liberalen (Alde) auch einen Spitzenkandidaten wählen, ist noch unklar. Möglicherweise wird sich Emmanuel Macron mit seiner Bewegung den Liberalen anschließen. Und Frankreichs Präsident lehnt das Spitzenkandidaten-Prinzip bei der Suche nach dem nächsten Präsidenten der EU-Kommission ab.Für Daniel Caspary, den Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, ist Webers Vorteil dagegen gerade, dass dieser aus der Mitte des EU-Parlaments kommt: “Das ist eine klare Ansage und stärkt die demokratische Legitimation des kommenden Präsidenten, des Europaparlaments und der EU insgesamt”, betont der CDU-Politiker. Weber sei damit ein Kandidat, der Europa zusammenhalte. Ob der EVP-Kandidat künftig zusätzlich auch die CSU zusammenhalten will und auch noch den Parteivorsitz anstrebt, blieb gestern in Helsinki offen.