NOTIERT IN WASHINGTON

Ein Präsident bläst zum Angriff

Wer glaubte, dass mit der knappen Zusammenfassung des Berichts von US-Sonderermittler Robert Mueller das letzte Wort in diesem seit zwei Jahren andauernden Drama gesprochen sei, der irrte gewaltig. Vom Siegestaumel beflügelt, haben nämlich...

Ein Präsident bläst zum Angriff

Wer glaubte, dass mit der knappen Zusammenfassung des Berichts von US-Sonderermittler Robert Mueller das letzte Wort in diesem seit zwei Jahren andauernden Drama gesprochen sei, der irrte gewaltig. Vom Siegestaumel beflügelt, haben nämlich US-Präsident Donald Trump und seine Gefolgsleute zum Angriff geblasen. Sie attackieren neben Mitgliedern der demokratischen Opposition insbesondere den bevorzugten Sündenbock des Präsidenten, nämlich die sogenannten “Mainstream-Medien”.Nach seiner “vollständigen” Entlastung, also Trumps klarer Fehlinterpretation des Mueller-Berichts, zählte der Präsident in einem offenen Brief an TV-Produzenten sechs Personen auf, die ihm in der Vergangenheit unrechtmäßiges Verhalten vorwarfen. Diese sollten, weil sie so weit danebenlagen, keine weiteren Fernsehauftritte mehr absolvieren, forderte der Präsident.Auf der “schwarzen Liste” stehen unter anderem Adam Schiff, der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, weitere demokratische Kritiker sowie der frühere CIA-Direktor John Brennan.Regierungssprecherin Sarah Sanders legte eiskalt nach und verbreitete auf Twitter in Anlehnung an die laufende Meisterschaft im College-Basketball eine fiktive Auslosung, mittels derer sie sich über die schärfsten Kritiker des Präsidenten mokiert. Anschließend stellt sie die polemische Frage: “Welcher der wütenden und hysterischen Trump-Hasser lag am meisten daneben?”Während Trumps genüsslicher Feldzug gegen seine Gegner andauert, haben Demokraten ihrerseits klargemacht, dass sie nicht lockerlassen werden, ehe nicht Muellers gesamter Bericht an die Öffentlichkeit kommt. Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitschefin im Repräsentantenhaus, hat die Überzeugung geäußert, dass man der kurzen Zusammenfassung von Justizminister William Barr nicht über den Weg trauen könne. Pelosi erinnert daran, dass Barr den Job wohl nur deswegen bekam, weil er seinerzeit in einem 19 Seiten langen Brief die Arbeit des Sondermittlers geißelte.Bald nach Eintreffen von dessen spärlich verschleiertem Bewerbungsschreiben fragte Trump den Juristen tatsächlich, ob er die Spitze des Justizressorts übernehmen wolle. Dort würde Barr praktisch allein entscheiden, ob und wenn ja, welche Passagen aus dem Bericht des Sonderermittlers an den Kongress weitergegeben werden oder an die Öffentlichkeit kommen.Kein Wunder also, dass der neue Justizminister dem Bericht einen möglichst positiven Anstrich gegeben hat. Dem Präsidenten habe Mueller keine Straftat nachweisen können, fasste er nach weniger als 48 Stunden auf weniger als 4 Seiten den Inhalt eines ausführlichen und detaillierten Berichts zusammen, der mehrere Hundert Seiten lang sein dürfte. Vermutlich zähneknirschend hat Barr eingefügt, dass der Bericht den Präsidenten keineswegs entlastet.Demokraten vermuten, dass der erfahrene Rechtsgelehrte juristische Haarspalterei betreibt. Barr argumentiert nämlich, der Präsident habe definitionsgemäß die Justiz nicht behindern können, wenn kein zugrunde liegendes Versprechen in Form von illegalen Absprachen mit Moskau zur Beeinflussung der US-Wahl nachgewiesen werden könne.Dieser engen Auslegung entgegen steht nach Auffassung der Demokraten der berechtigte Wunsch jedes Bürgers und Steuerzahlers, welche die mehr als 25 Mill. Dollar teuren Ermittlungen finanzierten, zu wissen, ob sich ihr Präsident höchst unlauteres Verhalten zuschulden kommen ließ. Etwa in Form von Schweigegeldern, dem Einschüchtern von Zeugen oder dem dreisten Kokettieren mit möglichen Begnadigungen. Möglichkeiten, mehr über den Mueller-Bericht in Erfahrung zu bringen, haben die Demokraten jede Menge. Sie könnten versuchen, das Justizministerium über eine Vorladung zu zwingen, den Bericht freizugeben. Auch erwägen sie, Mueller selbst vorzuladen, der vor dem Kongress Seite für Seite den Inhalt erläutern soll. So oder so erscheint sicher, dass sämtliche Beteiligten den Weg bereitet haben für einen erbitterten Schlagabtausch, der fraglos bis 2020 dauern und dem Rennen um die Präsidentschaft seinen Stempel aufdrücken wird.