NOTIERT IN WASHINGTON

Ein Trumploser Skandal

Als wären die politischen Abläufe in Washington nicht skurril genug: Ein Skandal im angrenzenden Bundesstaat Virginia, in dem unter anderem Minister aus US-Präsident Donald Trumps Kabinett sowie zahlreiche ranghohe Regierungsangestellte leben,...

Ein Trumploser Skandal

Als wären die politischen Abläufe in Washington nicht skurril genug: Ein Skandal im angrenzenden Bundesstaat Virginia, in dem unter anderem Minister aus US-Präsident Donald Trumps Kabinett sowie zahlreiche ranghohe Regierungsangestellte leben, stellt nun sogar das Chaos im Weißen Haus in den Schatten. Im Mittelpunkt standen zunächst Vorwürfe des Rassismus gegen den liberalen Gouverneur Ralph Northam. Eine makabere Dimension nahm der Fall an, als ernsthaft darüber diskutiert wurde, dass dessen Stellvertreter Justin Fairfax nachrücken sollte. Dann aber erhoben zwei Frauen deutlich gravierendere Vorwürfe gegen Fairfax, einen Afroamerikaner: Er soll sich an ihnen sexuell vergriffen haben. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug vorletztes Wochenende ein Foto aus dem Jahr 1984 ein, welches auf einer rechtsgerichteten Website veröffentlicht wurde. Zu sehen sind darauf ein Mann mit einem schwarz bemalten Gesicht, angeblich Northam, der neben einem als Ku-Klux-Klan-Mitglied verkleideten Kommilitonen seht. Republikaner ebenso wie Demokraten forderten den Gouverneur prompt zum Rücktritt auf. Demokraten befürchten nach ihrem rauschenden Sieg bei den jüngsten Kongresswahlen für andere Kandidaten Folgen bei den Kongresswahlen im November kommenden Jahres.Das umstrittene Foto stammt aus dem Jahrbuch einer Universität in Virginia, an der Northam sein Medizinstudium absolvierte. Zunächst gab der Gouverneur zu, dass er einer der Männer in rassistischer Pose sei, und entschuldigte sich für den Fehltritt. Gleichwohl klammerte er sich hartnäckig ans Amt. Als sich die Rücktrittsforderungen häuften, kam die überraschende und nicht sonderlich glaubwürdige Kehrtwende. Er sei voreilig zu dem Schluss gekommen, dass er darauf abgebildet sei, meinte der Gouverneur. Sein einziger Fehler habe darin bestanden, dass er sich 1984 bei einem Tanzwettbewerb mit geschwärztem Gesicht als Michael Jackson verkleidete, meinte der Gouverneur. “Solange ich dieses Amt weiterhin ausüben kann, werde ich das tun” zeigte er sich unnachgiebig.Zunächst hatte es den Anschein, als würde sich der Gouverneur keine 24 Stunden halten können. Dessen Sieg im vergangenen November galt nämlich als einer von vielen symbolischen Rückschlägen für die von Präsident Donald Trump propagierten nationalistischen Positionen. Das Foto “stellt die Antithese dar zu allem, was unsere Partei verkörpert, nämlich ethnische und rassische Vielfalt” sagte etwa Tom Perez, der das Democratic National Committee (DNC) leitet.Führende Demokraten zogen gegen Northam zu Felde und versuchten, seinen Rücktritt herbeizuführen – so etwa der frühere Vize-Präsident Joe Biden, Nancy Pelosi, die mächtige Mehrheitschefin im Repräsentantenhaus, Senatorin und Präsidentschaftskandidatin Kirsten Gillibrand sowie zahlreiche andere. Mehrere Senatoren veröffentlichten eine Erklärung, in der es hieß, dass das Foto “enormen Schmerz verursacht und das Vertrauen verletzt hat, welches die Bürger von Virginia in ihre Politiker haben müssen”. Fast zwei Wochen lang hat sich der umstrittene Gouverneur, der vor dem Skandal noch als eines des Aushängeschilder der Partei galt, über Wasser halten können, und Northam rührt sich nicht vom Fleck. Geholfen hat ihm dabei ausgerechnet jener Mann, der sein Nachfolger werden sollte. Fairfax bestreitet seinerseits aber die Vorwürfe sexueller Übergriffe, will ebenfalls im Amt bleiben und leitet als Vize-Gouverneur sogar das Tagesgeschäft in Virginias Staatssenat. Drohungen eines Impeachment-Verfahrens hat er zumindest vorläufig überstanden.Selbst wenn der Skandal ausnahmsweise ohne die zumindest indirekte Beteiligung des Präsidenten über die Bühne geht, meinen politische Beobachter dennoch, dass Trump zumindest eine indirekte Rolle spielt. Sowohl Northam als auch Fairfax seien von dessen Vermögen, jeden Skandal auszusitzen und zu überstehen, ermuntert worden, dasselbe zu tun. Und da sich der Präsident niemals ausstechen lässt, musste er sich natürlich auch zu Wort melden: Wäre das alles ein paar Monate früher aufgeflogen, dann hätte Northam die Gouverneurswahl haushoch verloren.