NOTIERT IN MAILAND

Eine gute Weinernte ist noch kein Grund zur Freude

In Italien hat die Weinlese begonnen. Den Anfang hat die Region um Brescia, nahe dem Gardasee, gemacht, wo der Schaumwein Franciacorta hergestellt wird. Trotz der zuletzt afrikanischen Megahitze, unterbrochen von starken Gewittern, sind die ersten...

Eine gute Weinernte ist noch kein Grund zur Freude

In Italien hat die Weinlese begonnen. Den Anfang hat die Region um Brescia, nahe dem Gardasee, gemacht, wo der Schaumwein Franciacorta hergestellt wird. Trotz der zuletzt afrikanischen Megahitze, unterbrochen von starken Gewittern, sind die ersten Ergebnisse positiv. Der Jahrgang verspricht gut zu werden, Qualität und Menge stimmen. Gute Nachrichten also für Weinproduzenten und Weintrinker?Nur zum Teil. Der Branche geht es schlecht. Die monatelange Schließung von Restaurants und Bars hat gerade das mittlere und obere Segment stark getroffen. Zwar sind die Verkäufe im Großhandel und auch im Online-Handel deutlich gewachsen. Doch das hat bei weitem nicht ausgereicht, die Umsatzausfälle zu kompensieren, denn auch der zuletzt boomende Weintourismus ist weggebrochen.Besser lief es im Export, der etwa 50 % zu den Erlösen der Branche beiträgt. Doch auch da gibt es der Branche zufolge einen Wermutstropfen: Zu Jahresanfang gab es viele vorgezogene Käufe, unter anderem von Kunden in den USA, die höhere Zölle fürchteten. Die Branche rechnet deshalb im Jahresverlauf mit einem Abflachen der Ausfuhrzahlen.Weintrinker können sich vermutlich auf sinkende Preise freuen. Denn die Branche hat noch 42 Mill. Hektoliter Wein in den Lagern und Kellern liegen. Dazu kommen vermutlich 45 bis 50 Mill. Hektoliter aus der diesjährigen Ernte, womit sich Italien übrigens mit Frankreich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Position des weltweit größten Weinproduzenten liefert. Überkapazitäten also.Die italienische Weinbranche verweist auf Frankreich, wenn es darum geht, Wege aus der Krise zu finden. Dort sei ein etwa dreimal so hoher Betrag für die Destillation von Weinen zu Industriealkohol zur Verfügung gestellt worden. Es ist mal wieder die alte Klage über das Versagen des italienischen Staates, der, anders als andere Länder, zu langsam und zu bürokratisch agiere.Die Weinberge prägen das Gesicht Italiens in weiten Landstrichen. Doch in den letzten Jahren sind es zunehmend auch Wälder, die das Bild des Belpaese mitbestimmen – und das ist doch überraschend. Seit Jahrhunderten hat Italien nicht so viel Waldfläche gehabt wie jetzt. Allein in den letzten fünf Jahren kamen 270 000 Hektar hinzu. Der Stiefel ist zu etwa 40 % von Wald bedeckt, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Studie.Das ist jedoch nur zu einem sehr geringen Teil auf gezielte Projekte zur Begrünung des Landes zurückzuführen. Vielfach wurde die landwirtschaftliche Produktion aufgegeben, vor allem in Regionen, die aus topografischen Gründen schwierig zu bewirtschaften sind. Die aufgegebenen Flächen wucherten zu. In vielen Regionen sind ganze Landstriche entvölkert, weil die wenigen jungen Leute, die Italien noch hat, in die Städte und vor allem in den Norden oder ins Ausland gehen.Die Regierung will nun die Wiederaufforstung bzw. die Bewirtschaftung der Wälder effizienter gestalten – auch im Sinne von mehr Nachhaltigkeit. Damit will man auch einen Beitrag gegen den Klimawandel mit immer schlimmeren Hitzewellen und starken Unwettern leisten. Vor allem die Trockenheit ist ein Problem für die Wälder. Es gibt viele Waldbrände. Etliche davon sind aber bewusst gelegt, um eine Umwandlung in Baugrund zu erwirken. Es bleibt jedoch die Trockenheit als Problem, die den Wald anfällig macht für den Befall mit Parasiten und diversen anderen Schädlingen. Mit gezielten Eingriffen soll nun die Biodiversität in den Wäldern erhöht werden. Doch es fehlen vielfach die Setzlinge dafür. Und es müssen die Orte gefunden werden, an denen eine Bepflanzung besonders sinnvoll ist.Eine wichtige Rolle wollen und sollen dabei die Städte spielen. In Mailand etwa gibt es endlich gezielte Projekte für Grüngürtel, die nicht nur dafür sorgen sollen, dass die im Sommer unerträglichen Hitzeinseln besser durchlüftet werden, sondern auch zu einer Verbesserung der Luftqualität beitragen. Vor allem die Poebene zwischen Turin und Padua weist mit die schlechteste Luftqualität in Europa auf. Zumindest da hat die Coronakrise eine segensreiche Wirkung gehabt. So gut wie im März und April war die Luft wohl schon seit Jahrhunderten nicht mehr.