NOTIERT IN WASHINGTON

Erinnerungen an Nixon werden wach

Immer wieder ist es US-Präsident Donald Trump während seiner 33 Monate im Amt gelungen, Skandale weitgehend ungeschoren zu überstehen, die fast jeden anderen Politiker die Karriere gekostet hätten. Ob es Beleidigungen politischer Gegner sind, Fälle...

Erinnerungen an Nixon werden wach

Immer wieder ist es US-Präsident Donald Trump während seiner 33 Monate im Amt gelungen, Skandale weitgehend ungeschoren zu überstehen, die fast jeden anderen Politiker die Karriere gekostet hätten. Ob es Beleidigungen politischer Gegner sind, Fälle der Behinderung der Justiz, des Amtsmissbrauchs oder ungenierte Bemühungen, sich am höchsten Amt im Lande persönlich zu bereichern. Nichts tat dem Würgegriff Abbruch, in dem der Präsident die Republikaner und seine politische Basis hält.Nachdem Demokraten nun aber erste Schritte zu einem Amtsenthebungsverfahren eingeleitet haben und sich während der letzten zwei Tage die Sensationen überstürzt haben, hat sich bei vielen Experten ein Gesinnungswandel vollzogen. Zwar glauben einige, dass die Demokraten Trump direkt in die Karten spielen.Aus einem Impeachment lediglich durch das Repräsentantenhaus, welches vorwiegend symbolische Bedeutung hätte, würde er sogar gestärkt hervorgehen. Seine Basis würde Trump mit unzähligen Tweets über eine angebliche Hexenjagd verwirren und so seine Anhängerschaft mobilisieren, was ihm bei der Wahl im November 2020 helfen könnte.Anders als bei früheren Skandalen glaubt aber eine wachsende Zahl von politischen Beobachtern in Washington, dass Trump diesmal den Bogen überspannt haben könnte. Oppositionschefin Nancy Pelosi brachte es auf den Punkt. Sie befürchtete, dass selbst nach dem Mueller-Bericht ein Impeachment einen Bumerangeffekt entfalten könnte und meinte, dass es wesentlich sicherer wäre, Trump über eine Wahlniederlage nächstes Jahr in die Knie zu zwingen. Nun aber sieht sie es anders.Amerikas Wähler würden die zur Debatte stehenden Abläufe, die mittlerweile an einen “cover up” im Stil des 1974 zurückgetretenen Präsidenten Richard Nixon erinnern, leichter verstehen als die komplexen Mueller-Ermittlungen. Laut Pelosi ist die Lage transparent: Ein amerikanischer Präsident hat einen ausländischen Staatschef aufgefordert, die amerikanische Präsidentschaftswahl zu manipulieren. Für sich genommen, stelle das schon einen Amtsmissbrauch dar. Zudem könnten Worte wie “Wir waren immer sehr, sehr gut zur Ukraine” – verbunden mit der Bitte um “einen Gefallen” – den Tatbestand der Bestechung erfüllen.Neben Pelosis durchaus plausiblem Argument spielt eine zentrale Rolle, dass die Beschwerde jenes Whistleblowers, der den Skandal um Trumps Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ins Rollen brachte, nun veröffentlicht wurde. Darin heißt es unter anderem, dass Trump “die Macht seines Amts eingesetzt hat”, um einen ausländischen Regierungschef aufzufordern, gegen einen wichtigen politischen Rivalen zu ermitteln und die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu beeinflussen. Im Klartext: gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. *Weiter heißt es, dass bei der Wahlmanipulation sowohl Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani als auch Justizminister William Barr wichtige Rollen zukommen sollten. Auch werden mehrere Mitarbeiter des Weißen Hauses zitiert, die behaupten, dass Trumps Anwälte sie angewiesen hätten, die wörtliche Mitschrift des Telefonats aus dem Computer, in dem offizielle Protokolle gespeichert werden, zu löschen. Stattdessen sollte die Abschrift auf ein Betriebssystem geladen werden, welches üblicherweise für streng geheime Informationen vorgesehen ist.Natürlich hat Trump weiterhin seine Handlanger und Jasager, die in jedem noch so dreisten Rechtsverstoß schlimmstenfalls ein Kavaliersdelikt sehen. Allen voran Giuliani und Justizminister William Barr, unter dem eine unabhängige Behörde, die das Gesetz zu hüten hat, zu einer privaten Anwaltskanzlei für den Präsidenten mutiert ist.Doch die Demokraten verfügen über eine Fülle unbestreitbarer Fakten, die den Mueller-Bericht in den Schatten stellen. Das Impeachment-Verfahren wird dem Wahljahr seinen Stempel aufdrücken, und keineswegs sicher ist, dass Trump diesmal ungeschoren da-vonkommen wird. Ob in Form einer Amtsenthebung oder aber einer Wahlniederlage.