EU-Gipfel

EU-Gipfel macht Weg für Ukraine-Beitritt frei

Der EU-Gipfel hat überraschend den Weg frei gemacht für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Der ungarische Ministerpräsident Orbán war der Abstimmung ferngeblieben – und hatte damit seine Blockadehaltung aufgegeben.

EU-Gipfel macht Weg für Ukraine-Beitritt frei

EU-Gipfel macht Weg für Ukraine-Beitritt frei

Selenskyj: "Ein Sieg für ganz Europa" – Orbán bleibt Abstimmung fern – Deutschland macht Druck für Finanzhilfen

ast/Reuters Frankfurt/Brüssel

Der EU-Gipfel hat am Donnerstagabend überraschend den Weg für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine freigemacht. Das teilte EU-Ratspräsident Charles Michel auf der Plattform X, ehemals Twitter, mit. "Der Europäische Rat hat beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldawien aufzunehmen", hieß es. Zuvor hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán noch seinen Widerstand angekündigt. "Das ist ein Sieg für die Ukraine. Ein Sieg für ganz Europa. Ein Sieg, der motiviert, inspiriert und stärkt", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinerseits auf der Internet-Plattform X.

Der EU-Gipfel habe zudem Georgien den Kandidatenstatus zuerkannt, schrieb Ratspräsident Michel weiter. Die EU werde Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufnehmen, "sobald das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht ist", hieß es. "Ein deutliches Signal der Hoffnung für die Menschen dort und für unseren Kontinent", fügte der EU-Ratspräsident hinzu.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entscheidung des EU-Gipfels für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine als "starkes Zeichen der Unterstützung" gewertet. Er begrüßte auch die gleichzeitig beschlossene Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Moldau. "Klar ist: Diese Länder gehören zur europäischen Familie."

Orbán verzichtet auf Widerspruch

Die überraschende Wende führte Orbán nun wohl selbst herbei: Nach Angaben aus EU-Kreisen wurde die Entscheidung getroffen, als der ungarische Ministerpräsident nicht im Raum war. Der Europäische Rat sei aber dennoch beschlussfähig gewesen. Insider erklärten gegenüber Bloomberg, der deutsche Bundeskanzler habe Orbán vorgeschlagen, den Raum zu verlassen.

Der nationalkonservative Politike rhatte aber nach Angaben mehrerer EU-Diplomaten zuvor ausdrücklich sein Einverständnis gegeben, dass in seiner Abwesenheit über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen abgestimmt wird. Nach der Geschäftsordnung des Rates zählen Enthaltungen bei der Abstimmung nicht mit, weshalb die nötige Einstimmigkeit für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zustande kam.

Auf seiner Facebook-Seite teilte Orbán in einem Video mit, er habe sich entschieden, der Abstimmung "fernzubleiben". "Ungarn wollte sich nicht an dieser falschen Entscheidung beteiligen", erklärte Orbán dort und nannte es eine "sinnlose, irrationale und falsche Entscheidung", EU-Beitrittsgespräche zu beginnen. Dennoch habe er den 26 anderen Mitgliedstaaten nicht im Wege stehen wollen, so der Ungar in der Botschaft.

Scholz und zahlreiche andere der 27 EU-Staats- und Regierungschefs hatten Orbán zuvor teils heftig für seinen Widerstand kritisiert und betont, man dürfe kein falsches Signal an Russland senden. Vorwürfe, dass er mit der Blockade die wegen Rechtsstaatsdefiziten eingefrorenen EU-Mittel für sein Land freipressen wolle, wies Orbán im Vorfeld kategorisch zurück. "Es geht hier nicht um einen Handel. Es geht hier nicht um einen Deal", sagte er. Ungarn stehe für Prinzipien.

Der EU-Gipfel berät auch noch darüber, eine Finanzierungs-Fazilität über 50 Mrd. Euro für die Ukraine zur Verfügung zu stellen. Deutschland wäre dafür bereit, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen. Dies soll dem Land Stabilität geben, das sich seit dem russischen Überfall im Februar 2022 gegen Russland verteidigen muss.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor bei seiner Jahres-Pressekonferenz in Moskau gesagt, dass die ausländische Unterstützung für die Ukraine abzunehmen scheine. "Es wird Frieden herrschen, wenn wir unsere Ziele erreicht haben", erklärte Putin. Scholz warnte, dass der EU-Gipfel Putin nicht die falschen Signale senden dürfe. Am Vorabend des Gipfels hatte Selenskyj noch betont, dass sein Land die notwendigen politischen Reformen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen umgesetzt habe.

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