EU-Parlament

Kreditvergabe könnte durch EU-Gesetz zu Lieferketten heikler werden

Das EU-Parlament will das Lieferkettengesetz mit Abstrichen auf den Finanzsektor ausdehnen. Der Mittelstand befürchtet eine Überforderung.

Kreditvergabe könnte durch EU-Gesetz zu Lieferketten heikler werden

Kreditvergabe könnte heikler werden

EU-Parlament will Lieferkettengesetz mit Abstrichen auf Finanzsektor ausdehnen – Mittelstand befürchtet Überforderung

Auf Unternehmen und den Finanzsektor kommen EU-weit umfassende Pflichten in ihren globalen Geschäftsbeziehungen zu. Das EU-Parlament hat seine zähe Kompromisssuche abgeschlossen und will Sorgfaltspflichten mit Abstrichen auf Banken und Investoren ausdehnen. Der Mittelstand befürchtet eine Überforderung.

rec Brüssel

Die Verhandlungen über ein EU-weites Lieferkettengesetz gehen in die entscheidende Phase. Nach mühevoller Kompromisssuche hat die Position des Europaparlaments Gestalt angenommen. Am Dienstag hat der federführende Rechtsausschuss sie beschlossen. Auf Unternehmen aller Branchen inklusive Teile des Finanzsektors kommen umfassende Pflichten in ihren globalen Geschäftsbeziehungen zu.

In Deutschland gilt seit einigen Monaten ein nationales Lieferkettengesetz. Ob es verschärft werden muss, werden die anstehenden Verhandlungen von EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Staaten zeigen. Wirtschaftsverbände appellieren jedenfalls einmal mehr an die Gesetzgeber, Maß zu halten, wenn es um die unternehmerische Verantwortung für die weltweiten Lieferketten geht.

Im Vordergrund steht der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt. Das EU-Parlament hat hier vergleichsweise weitreichende Vorstellungen: Am Ende einer fünfjährigen Übergangsphase sollen alle Unternehmen ab 250 Beschäftigen und 40 Mill. Euro Umsatz in der EU Sorge tragen, dass Geschäftspartner in aller Welt sich an das Verbot von Kinderarbeit und andere internationale Standards halten. Diese Sorgfaltspflichten sollen für die gesamte Wertschöpfungskette gelten.

Der Anwendungsbereich gilt in gleichem Maße für Finanzdienstleister wie alle anderen Unternehmen.

René Repasi

Auch Finanzdienstleister sind erfasst, wenn auch mit Einschränkungen. Für sie sollen die Regeln grundsätzlich „in gleichem Maße wie für alle anderen Unternehmen“ gelten, sagt der für den Finanzsektor zuständige SPD-Abgeordnete René Repasi. Banken, Finanzdienstleister, Versicherer und andere institutionelle Investoren fallen darunter. Ratingagenturen und Marktbetreiber bleiben außen vor.

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„Finanzunternehmen haben Sorgfaltspflichten für ihre eigenen (Investitions-)Tätigkeiten, die ihrer Töchterunternehmen und die Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette der Kunden, für die sie Finanzdienstleistungen erbringen“, erläutert Repasi. Diese sollen bis zum Abschluss eines Kreditvertrags greifen, teilweise auch darüber hinaus. „Wenn etwa bei einem Kreditvertrag eine Tranche freigegeben werden muss, muss erneut geprüft werden.“ Repasi verweist zudem auf Sonderregeln für institutionelle Investoren und Assetmanager: Sie müssten auf Entscheidungen von Unternehmen, in die sie investiert haben, Einfluss nehmen – etwa indem sie auf deren Hauptversammlung das Wort ergreifen.

Eingeschränkte Haftung

Befürworter strenger Sorgfaltspflichten kritisieren gleichwohl eine gewisse Vorzugsbehandlung des Finanzsektors. Die Sorgfaltspflichten beschränkten sich auf Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden, bemängelt Ulrike Lohr, Expertin für nachhaltiges Finanzwesen bei Südwind-Institut. „Damit wären Investitionen in kleinere Projekte, die mit Menschenrechtsverstößen verbunden sind, ausgenommen.“

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Für reichlich Diskussionen sorgt auch das Thema zivilrechtliche Haftung. Betroffene sollen Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn Unternehmen eine Menschenrechtsverletzung oder Umweltschäden verursacht oder einen Beitrag geleistet haben. Das sei „bei Finanzdienstleistungen größtenteils nicht der Fall“, schränkt Repasi ein. Dessen ungeachtet geht das Parlament deutlich weiter als EU-Kommission und Mitgliedstaaten: Sie würden am liebsten selbst darüber entscheiden, wie sie den Finanzsektor handhaben.

Das EU-Parlament will Sorgfaltspflichten auf mehr Unternehmen ausweiten, als dies der EU-Kommission vorschwebt. Im deutschen Mittelstand schürt das Sorgen vor einer Überforderung. „Gerade für kleinere Unternehmen, die zumindest mittelbar von der Richtlinie betroffen sein werden, ist dies schlichtweg nicht zu schultern“, sagt Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverband BGA. Der BGA und andere Verbände wie die Maschinenbauer (VDMA) machen sich für eine weiße Liste stark. Sie soll Länder umfassen, die menschenrechtlich unbedenklich sind. Das würde „Rechtssicherheit schaffen und den Aufwand deutlich reduzieren“, sagt VDMA-Chef Thilo Brodtmann. Auch das Handwerksgewerbe fordert, Risiken zu gewichten. Die Verbände eint die Sorge, dass sich Unternehmen aus Verunsicherung aus Entwicklungs- und Schwellenländern zurückziehen könnten.

Auf Betreiben von konservativer EVP, der die Unionsabgeordneten angehören, und Renew inklusive FDP sind Sorgfaltspflichten für kleinere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern vom Tisch. Auch haben sie eine Umkehr der Beweislast verhindert: Betroffene können zwar mithilfe von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften klagen, müssen dafür aber selbst Verstöße gegen Menschenrechte bei Geschäftspartnern europäischer Firmen nachweisen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags ist dem Europaabgeordneten René Repasi durch einen technischen Fehler ein falsches Zitat zugeschrieben worden. Das richtige Zitat lautet: „Der Anwendungsbereich gilt in gleichem Maße für Finanzdienstleister wie alle anderen Unternehmen.“ Wir haben die entsprechende Stelle im Text korrigiert.

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