Ukraine-Finanzierung

EU tüftelt an Zugriff auf russische Vermögen

Brüssel will mehr als nur die Zinsen der bei Euroclear lagernden, eingefrorenen russischen Vermögen nutzen, um daraus Hilfen für die Ukraine zu finanzieren. Die EU-Staaten finden das eine gute Idee, die EZB hat Vorbehalte.

EU tüftelt an Zugriff auf russische Vermögen

EU tüftelt an Zugriff auf russische Vermögen

Brüssel will mehr als nur Zinsen für Ukraine-Hilfe abschöpfen – Generelle Unterstützung der Mitgliedstaaten – Vorbehalte der EZB

fed Kopenhagen

Die EU-Kommission arbeitet unter Hochdruck an der Konkretisierung so genannter „Reparations-Anleihen“. Sie sind Teil einer Vorgehensweise, mit der die EU stärker als bisher die von Euroclear verwalteten, eingefrorenen russischen Vermögen nutzen möchte, um der Ukraine finanziell zu helfen.

Bislang schöpft die EU die Zinsen der russischen „frozen assets“ ab, das heißt, sie bedient sich der Kapitalerträge, aber rührt die Vermögenswerte selbst nicht an. Denn ein Zugriff auf die Vermögen, die die russische Zentralbank hält, wäre eine Enteignung – und könnte weltweit Investoren und Vermögende, insbesondere aus dem arabischen Raum, verschrecken und davon abhalten, ihr Geld auch künftig in Europa anzulegen oder zu verwahren. Vor allem die Europäische Zentralbank warnt beständig die EU vor Maßnahmen, die nicht in Einklang mit internationalem Recht stehen und deshalb die Stabilität der Währung beeinträchtigen könnten.

„Reparations-Anleihen“

Nun will die EU-Kommission einen Schritt weiter gehen. „Wir schlagen vor, dass Russlands Ansprüche auf diese Vermögenswerte bestehen bleiben, aber wir verwenden die angesammelten Barguthaben, sobald sie fällig werden, um der Ukraine Reparations-Darlehen zu gewähren“, erklärte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis am Wochenende beim Treffen der EU-Finanzminister in Kopenhagen und fügt an: „Auf diese Weise müssten wir uns nicht mit Fragen der staatlichen Immunität befassen, die diese Diskussionen zuvor belastet haben.“

Wie das genau von statten gehen soll, sei noch nicht geklärt, verlautet aus der EU-Kommission. Denkbar wäre beispielsweise, den liquiden Teil der Bestände, die bei der Brüsseler Verwahrstelle Euroclear lagern, zusammenzufassen und als Kredit an Kiew weiterzureichen. Statt der Cash-Bestände würde Euroclear im Gegenzug von der EU besicherte Anleihen erhalten. Der Effekt wäre, dass die Frage einer Enteignung um Jahre vertagt wäre – nämlich erst dann schlagend werden würde, wenn Russland nach Ende eines Kriegs seine Forderungen gegenüber Euroclear geltend machen würde. Dann wiederum wäre denkbar, die Forderungen mit etwaigen Reparationszahlungen zu verrechnen.

Allerdings werden in der EU-Kommission auch noch ganz andere Optionen erwogen. Ziel ist es, möglichst schnell Klarheit über die wichtigen Einzelheiten zu schaffen, damit sich im Oktober sowohl der Ecofin-Rat als auch der EU-Gipfel mit der Frage beschäftigen kann.

Auch London kann es sich vorstellen

Generell gibt es viel Sympathie der EU-Staaten für ein solches Vorgehen. „Alles in allem ist die Bereitschaft der EU-Mitglieder zu spüren“, sagte Dombrovskis nach den Beratungen mit den Finanzministern. Sie sähen dies als einen „möglichen Weg nach vorne“ an. Auch Großbritannien sei offen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, ergänzte der Lette.

Dass die EU-Staaten den Kommissionsvorschlag wohlwollend prüfen, hat durchaus Gründe. Die Unterstützung der Ukraine kostet viele Milliarden. Würde man dem neuen Ansatz der EU-Behörde folgen, stünde von jetzt auf gleich ein dreistelliger Milliardenbetrag zu Verfügung, ohne dass unmittelbar nationale Haushalte belastet werden müssten.

Lagarde ist nicht überzeugt

Weit weniger überzeugt ist bislang die Europäische Zentralbank. EZB-Präsidentin Christine Lagarde untermauerte in Kopenhagen erneut ihre Besorgnis, dass Maßnahmen als Enteignung wahrgenommen werden könnten. Vor diesem Hintergrund konfrontierte sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz Dombrovskis mit der Frage: „Es handelt sich um die Ersetzung einer Forderung auf Bargeld durch eine Forderung auf europäische Anleihen. Das ist doch richtig, oder?“. Der EU-Kommissar reagierte mit dem Hinweis, dass es auf die Klärung der technischen Details ankomme.