Einkaufsmanagerindex

Euro-Industrie im Formtief

Die Euro-Industrie kommt auch zum Ende des zweiten Quartals nicht aus ihrem Formtief heraus. Die Stimmung ist so schlecht wie zuletzt im Mai 2020 und die Aussichten bleiben trübe.

Euro-Industrie im Formtief

Euro-Industrie im Formtief

Einkaufsmanagerindex fällt auf tiefsten Wert seit März 2020 – Nachfrageschwäche belastet

Die andauernde Nachfrageschwäche hat der Stimmung der Euro-Industrie auch zum Ende des zweiten Quartals einen Dämpfer beschert. Der Einkaufsmanagerindex notiert nun so niedrig wie seit drei Jahren nicht mehr. Die Talfahrt setzte sich mit Ausnahme Griechenlands in allen von der Umfrage betrachteten Ländern fort.

ba Frankfurt

Die Euro-Industrie kommt auch zum Ende des zweiten Quartals nicht aus ihrem Formtief heraus. Die Stimmung ist so schlecht wie zuletzt im Mai 2020, und die Aussichten bleiben trübe – zumal sich die Folgen der extrem straffen Geldpolitik der großen Notenbanken erst noch in den kommenden Monaten in der Breite auswirken werden.

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) der Industrie im gemeinsamen Währungsraum fiel im Juni um 1,5 auf 43,4 Punkte. Damit notierte der Stimmungsindikator den zwölften Monat in Folge unter der Marke von 50 Zählern, ab der Wachstum angezeigt wird. In der Erstschätzung hatte S&P Global noch einen Stand von 43,6 Punkten ermittelt. Die Stimmungseintrübung war breit basiert: Detailergebnisse zeigten, „dass viele der von der Umfrage erfassten Länder im Juni so tief in der Krise steckten wie seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020 nicht mehr“.

Wachstum nur in Griechenland

In Österreich (39,0 Punkte), Deutschland (40,6), Italien und den Niederlanden (je 43,8) sowie in Irland (47,3) schrumpften die Industriesektoren so stark wie zuletzt vor über drei Jahren. Allein Griechenland (51,8) widersetzte sich S&P zufolge erneut dem Abwärtstrend und vermeldete zum fünften Mal hintereinander Wachstum. Die 46,0 für Frankreich gemeldeten Punkte bedeuten ein Drei-Monats-Hoch.

In Spanien sank der Industrie-PMI um 0,4 auf 48,0 Punkte – das war zwar der schärfste Rückgang im bisherigen Jahresverlauf, aber immer noch „mäßig“. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank (HCOB), erwartet hier daher „eine leichte Rezession, vielleicht auch eine Stagnation“. In Italiens Industrie hingegen scheine sich die Rezession zu verschärfen, in die der Sektor Mitte 2022 gerutscht ist, kommentiert der Chefvolkswirt. Ein Blick auf den von Destatis erfassten Mautindex, der eine gewisse Korrelation mit der Industrieproduktion aufweist und für den Daten bis Mai vorliegen, „bestätigt die Ansicht, dass wir nicht auf einen Abgrund zusteuern“, sagte de la Rubia mit Blick auf die deutsche Industrie.

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Die Talfahrt der Eurozone-Industrie habe sich im Juni weiter beschleunigt, fasste S&P Global zusammen. Die Produktion sei so stark zurückgefahren worden wie zuletzt im Oktober 2022, als große Besorgnis hinsichtlich der Energiepreise und -versorgung herrschte. Die Nachfrageschwäche infolge der globalen Konjunkturflaute belastet die Euro-Industrie schon seit langem. Im Juni ging die Nachfrage erneut massiv zurück, wovon vor allem Österreich, Deutschland und Italien betroffen waren.

Für de la Rubia ist nun „die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Industrieproduktion, die laut Eurostat im ersten Quartal um 0,9% gegenüber dem Vormonat geschrumpft ist, im zweiten Quartal erneut zurückgehen wird“. Dass der kapitalintensive und daher zinssensitive Industriesektor auf die Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) negativ reagiert, zeigt sich de la Rubia zufolge auch daran, dass die Unternehmen erstmals seit Januar 2021 ihren Personalbestand reduziert und ihre Verkaufspreise das zweite Mal in Folge – und das so stark wie zuletzt vor drei Jahren – gesenkt haben. Damit hätten sie mit einer gewissen Verzögerung auf die fallenden Einkaufspreise reagiert, erklärte der HCOB-Chefvolkswirt. Nachdem die Preise auf Erzeugerebene mit einiger Verzögerung auch auf die Verbraucherpreise durchschlagen, könnte dies ein Vorbote für eine niedrigere Inflation sein. Dass die Einkaufspreise „markant gesunken“ sind, erklärt S&P mit der rückläufigen Nachfrage nach Produktionsmaterialien und den erheblich verbesserten Lieferbedingungen.

Engpässe werden weniger

Seit Februar diesen Jahres erhalten die Unternehmen in der Eurozone ihre Waren schneller als im Vormonat: „Es scheint, als würden die Hersteller zwar nicht mehr so sehr über die Lieferzeiten klagen, aber Materialengpässe sind immer noch ein Problem“, mahnt de la Rubia. Der Umfrage der EU-Kommission zufolge meldeten im zweiten Quartal rund 28% der Unternehmen in der Eurozone Materialengpässe – 2019 waren es im Durchschnitt nur knapp 7%.