ExklusivKonjunkturtableau

Euro-Wirtschaft stolpert zum Jahresende

Die Euro-Wirtschaft zeigt sich zum Jahresende schwächer: Der Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister signalisiert eine beschleunigte Talfahrt. Auch der Außenhandel fasst nicht so recht Tritt.

Euro-Wirtschaft stolpert zum Jahresende

Euro-Wirtschaft stolpert zum Jahresende

Einkaufsmanagerindex sinkt überraschend – Prognosesenkung im Konjunkturtableau – Handelsbilanzüberschuss steigt leicht

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Die Euro-Wirtschaft zeigt sich zum Jahresende hin etwas schwächer: Der Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister zusammen signalisiert eine beschleunigte Talfahrt. Auch der Außenhandel fasst nicht so recht Tritt. Dies schürt die Konjunktursorgen. Ein Minus im Schlussabschnitt scheint sicher und die Erholung verzögert sich.

Um die Euro-Wirtschaft ist es zum Jahresende hin nicht gut bestellt. Im Dezember ist die Wirtschaftsleistung so kräftig geschrumpft wie seit elf Jahren nicht mehr – mit Ausnahme der ersten Monate des Coronajahres 2020. Aufträge und Beschäftigtenzahlen sinken, Arbeit wird teurer und angesichts der mauen Weltkonjunktur kommt der Außenhandel nicht in Schwung. Die wachsenden Rezessionssorgen spiegeln sich auch in den Prognosekorrekturen im Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) wider.

Rezessionswahrscheinlichkeit ist hoch

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite für die Privatwirtschaft im Euroraum – also Industrie und Dienstleister zusammen – fiel im Dezember um 0,6 auf 47,0 Punkte. „Damit ist die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal so stark geschrumpft wie seit dem vierten Quartal 2012 nicht mehr, lässt man die Monate während der ersten Corona-Lockdowns außer Betracht“, hieß es bei S&P Global zum vorläufigen Umfrageergebnis. Ökonomen wurden vom siebten Wachstumsrückgang in Folge überrascht. Sie hatten mit einem Anstieg auf 48,0 Zähler gerechnet. Werte unterhalb der 50-Punkte-Marke deuten auf eine schrumpfende Wirtschaft im Euroraum hin. Im Sommer hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits um 0,1% nachgegeben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Eurozone bereits seit dem dritten Quartal in einer Rezession befindet, „ist nach wie vor hoch“, betonte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank (HCOB). Dies und möglicherweise auch der anhaltende Nahost-Konflikt haben zu den Prognosesenkungen im Konjunkturtableau geführt. Die Voraussagen für das BIP-Wachstum im zu Ende gehenden und im kommenden Jahr liegen nun bei 0,5% und 0,9% – das sind je 0,1 Prozentpunkte weniger als im November. Die weiter hohe Spannweite der Erwartungen für 2024 von 1,4 Prozentpunkten zwischen dem höchsten (1,5%) und dem niedrigsten Wert (0,1%) erklärt ZEW-Experte Alexander Glas mit einer „großen Uneinigkeit unter den Experten, was die wirtschaftliche Erholung für das kommende Jahr betrifft“.

Industrie bleibt Bremsklotz

Als Haupttreiber der Erholung gilt den Auguren insbesondere die Außenwirtschaft. Mit 2,3 bzw. 2,4% werden sowohl für die Exporte als auch für die Importe hohe Wachstumsraten für 2024 erwartet. Im Oktober hat der Außenhandel bereits leicht zugelegt. Laut Eurostat wuchsen die Exporte im Monatsvergleich saisonbereinigt um 0,7%, während die Einfuhren um 0,3% sanken. Der saisonbereinigte Handelsbilanzsaldo betrug damit 10,9 Mrd. Euro nach 8,7 Mrd. Euro im September.

Gemessen am Einkaufsmanagerindex erwies sich die Industrie auch im Dezember als Bremsklotz. Der entsprechende PMI verharrte bei 44,2 Punkten. Im Servicesektor ging es um 0,6 auf 48,1 Punkte mit beschleunigter Rate bergab. Bei den Beschäftigtenzahlen lief die Entwicklung auseinander: In der Industrie war der Stellenabbau mit Ausnahme der Pandemie einer der stärksten seit 2012. Im Servicesektor nahm die Beschäftigung leicht zu, was aber in „krassem Gegensatz zum starken Jobaufbau Anfang des Jahres“ stand, hieß es bei S&P. Schwindende Beschäftigtenzahlen meldet das Statistikamt Eurostat für die gesamte EU: Im dritten Quartal lag die Beschäftigungsquote bei 75,3%. Das sind 0,1 Prozentpunkte weniger als im Frühjahr.

Frankreich in der Krise

Zudem haben sich die Arbeitskosten in der EU im Sommer um 5,7% zum Vorjahr erhöht. Im Euroraum kletterten die Arbeitskosten um 5,3%. Dabei legten die Löhne und Gehälter pro Stunde in den 20 Euro-Ländern mit 5,3% etwas stärker zu als die Lohnnebenkosten mit 5,1%. Am kräftigsten legten die Arbeitskosten in der gewerblichen Wirtschaft zu, und zwar um 5,8%. Im Detail stiegen sie um 5,8% in der Industrie, um 6,2% im Baugewerbe und um 5,7% im Dienstleistungssektor. Für die nichtgewerbliche Wirtschaft weist Eurostat ein Plus von 4,2% aus. Im EU-Ländervergleich verteuerte sich Arbeit vor allem in Kroatien (6,2%), Bulgarien (15,8%) und Ungarn (15,4%).

Im Dezember steckte unter den von der S&P-Umfrage erfassten Ländern Frankreich am tiefsten in der Krise, wo die Wirtschaftsleistung wegen beschleunigter Rückgänge bei Industrieproduktion und Geschäftstätigkeit im Servicesektor so stark sank wie zuletzt im Mai 2013 – ohne Berücksichtigung der Pandemie-Monate. Ähnliches zeigt der PMI für Deutschland.

In den übrigen von der Umfrage erfassten Euro-Ländern fiel der Wachstumsrückgang im Vergleich zu den beiden Euro-Schwergewichten Frankreich und Deutschland gedämpfter aus. "Hier wurde das sehr moderate Geschäftswachstum im Servicesektor erneut vom gravierenden Rückgang der Industrieproduktion überkompensiert", hieß es bei S&P.

Deutschland laut ZEW ebenfalls Sorgenkind

Die Prognosen im Konjunkturtableau für Deutschland zeigen ebenfalls ein etwas pessimistischeres Bild: Die Voraussage von −0,3% für 2023 liegt zwar um 0,1 Prozentpunkte über der vorherigen Schätzung, die Erwartung von 0,6% für 2024 aber um 0,3 Prozentpunkte unter der von November. Zudem gibt es mit −0,3% am unteren Rand sogar Experten, die mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr rechnen. "Die insgesamt pessimistischeren Erwartungen für 2024 passen zur Entwicklung der Erwartungen für das Eurogebiet", kommentiert dies ZEW-Experte Glas. Etwas pessimistischer zeigten sich die Auguren auch mit Blick auf den Jobmarkt: Die Prognosen der Arbeitslosenquote für 2023 und 2024 haben sie um je 0,2 Prozentpunkte auf 5,4% nach unten revidiert.

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