Geldpolitik

EZB besorgt über Marktspekulationen zu Zinssenkungen

Einige Ratsmitglieder befürchten, dass die Markterwartungen an frühe und in der Summe deutliche Zinssenkungen der EZB in 2024 den Inflationsrückgang gefährden. Die Notenbank mahnt zur Wachsamkeit.

EZB besorgt über Marktspekulationen zu Zinssenkungen

EZB besorgt über Marktspekulationen

Dezember-Sitzungsprotokoll: Einige Ratsmitglieder befürchten übermäßige Lockerung der Finanzierungsbedingungen

Einige Ratsmitglieder befürchten, dass die Markterwartungen an frühe und in der Summe deutliche Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in 2024 den Inflationsrückgang gefährden. Die EZB mahnt zur Wachsamkeit, wie aus dem Sitzungsprotokoll für Dezember hervorgeht. Die zu hohe Inflation sei noch nicht besiegt.

mpi Frankfurt

Das Wort Zinssenkung kommt im Protokoll der Dezember-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) nur in einem Zusammenhang vor: wenn es um die Markterwartungen geht. Für die Zentralbank selbst war der Zeitpunkt für Diskussionen zu diesem Thema noch nicht gekommen. Und er ist es nach öffentlichen Äußerungen diverser EZB-Ratsmitglieder nach wie vor nicht. „Es wurde betont, dass es nicht an der Zeit sei, dass der EZB-Rat in seiner Wachsamkeit nachlasse“, heißt es im Protokoll. Trotz zufriedenstellender Fortschritte bei der Bekämpfung der Inflation sei die zu hohe Teuerung noch nicht besiegt.

Fokus auf Lohndaten

Unsicherheiten in Bezug auf die Lohnentwicklung in der Eurozone, aber auch neue Schocks könnten den Inflationsdruck in Zukunft wieder erhöhen. Zu diesen möglichen Schocks zählt die EZB die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelpreise sowie wieder deutlich steigende Energiepreise. Besorgt zeigten sich einige Ratsmitglieder über die Spekulationen an den Finanzmärkten auf eine erste EZB-Zinssenkung bis April. Zudem lagen die Markterwartungen im Dezember bei einer Lockerung des Zinsniveaus 2024 um insgesamt rund 140 Basispunkte. „Es wurde die Befürchtung geäußert, dass die drastische Neubewertung des Marktes zu einer übermäßigen Lockerung der Finanzierungsbedingungen führen könnte, was den Desinflationsprozess zum Scheitern bringen könnte“, heißt es im Protokoll.

Zinssenkung bis Sommer wahrscheinlich

Kommende Woche steht der erste Zinsentscheid der EZB in diesem Jahr an. Eine weitere Zinspause gilt unter Beobachtern als ausgemacht. Jüngste Äußerungen von Ratsmitgliedern deuten darauf hin, dass die Notenbank erst die Entwicklung der Lohndaten abwarten wird, ehe sie möglicherweise die Zinsen senkt. Sollte sie so vorgehen, dürfte es keine Lockerung vor der Juni-Sitzung geben. Denn die Daten fürs erste Quartal werden der EZB erst im Mai vorliegen.

Bei einer von Reuters am Donnerstag veröffentlichen Umfrage gaben 73% der befragten Ökonomen an, dass sie mit einer ersten Zinssenkung bis spätestens Juli rechnen. Im Median erwarten sie zudem eine Lockerung um insgesamt 100 Basispunkte in diesem Jahr. Die Einschätzungen ähneln den Ergebnissen einer am Vortag veröffentlichten Ökonomen-Umfrage von Bloomberg.

Zu optimistische Prognose?

Aus dem EZB-Sitzungsprotokoll geht außerdem hervor, dass einige Ratsmitglieder „argumentierten, dass die kurzfristigen Wachstumsprognosen vom Dezember insgesamt zu optimistisch sein könnten“. Sie verwiesen dabei auf schwache Konjunkturindikatoren und das Risiko, dass der private Konsum im Jahr 2024 nicht anziehen wird. In ihrer Dezember-Projektion hatten die EZB-Volkswirte für 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,8% vorhergesagt.

Die EZB-Analysten stellten laut Sitzungsprotokoll zudem fest, dass das höhere Zinsniveau schneller und stärker als erwartet auf das Kreditvolumen in der Eurozone durchschlägt. Zudem sollten die Auswirkungen des Straffungszyklus auf das Kreditwachstum tendenziell früher ihren Höhepunkt erreichen, als Standardmodelle nahelegen.

Die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen stagnierte im November, nachdem sie im Oktober das erste Mal seit dem Sommer 2015 geschrumpft war. Zahlen für Dezember legt die EZB am Dienstag kommender Woche vor.

Vorsichtige Kreditvergabe

Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der KfW und des Ifo-Instituts unter Unternehmen ist es für Firmen in Deutschland wieder etwas einfacher, an Kredite zu kommen. Nur noch 25,6% der Unternehmen, die Kreditverhandlungen führen, beobachteten im Dezember eine Zurückhaltung bei den Banken. Bei der vorherigen Befragung im September waren es noch 29,2% gewesen. „Die Banken bleiben bei der Kreditvergabe aber weiterhin vorsichtig“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen.

Zudem führen die hohen Zinsen dazu, dass auch die Nachfrage nach Krediten bei den Unternehmen unterdurchschnittlich ist. Eine Trendwende bei der Kreditvergabe erwartet die KfW nicht. „Auch im vierten Quartal bleibt der Kreditzugang für Unternehmen beschwerlich“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. „Angesichts der restriktiven Geldpolitik und der schwachen Konjunkturaussichten lässt eine Trendwende der Kredithürde auf sich warten.“

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