Euro-Wirtschaft

EZB-Daten nähren Konjunktursorgen

Mit ihren beispiellosen Zinserhöhungen will die EZB die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen und so auch die Inflation senken. Neue Daten zeigen: Die Transmission funktioniert. Aber die Sorge nimmt zu, dass die Konjunktur allzu stark abgewürgt wird.

EZB-Daten nähren Konjunktursorgen

EZB-Daten nähren Konjunktursorgen

Kreditvergabe schwächt sich weiter ab – Geldmenge M1 schrumpft noch deutlicher

ms Frankfurt

Die Kreditvergabe im Euroraum hat sich im Mai erneut abgeschwächt – insbesondere auch jene an Unternehmen. Zugleich schrumpfte die sogenannte Geldmenge M1 noch einmal deutlicher als im April schon. Beide Entwicklungen, über die die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch berichtete, dürften die Sorgen um die Euro-Wirtschaft verstärken und die Debatte über den Zinserhöhungskurs der EZB befeuern. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass sich die EZB durch die Daten von dem Plan abbringen lässt, die Leitzinsen zumindest im Juli erneut anzuheben.

Kreditvergabe und Geldmengenwachstum stehen derzeit in noch größerem Fokus als sonst schon. Die EZB will mit ihren Zinserhöhungen nicht zuletzt die Kreditvergabe und in der Folge die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen. Allerdings möchte sie auch keine Kreditklemme verursachen und die Wirtschaft nicht abstürzen lassen. Die Geldmenge M1 wiederum gilt vielen Ökonomen als Konjunkturindikator, wobei ein Schrumpfen als schlechtes Signal betrachtet wird. Die Euro-Wirtschaft ist im Winterhalbjahr bereits in eine Rezession gerutscht.

Im Mai vergaben die Euro-Banken nun laut EZB 4,0% mehr Darlehen an Unternehmen als vor Jahresfrist. Im April hatte das Wachstum bei 4,6% und im März bei 5,2% gelegen. Auch bei der Kreditvergabe an die Privathaushalte schwächte sich das Wachstum deutlich ab. Insgesamt verlangsamte sich die Kreditvergabe an den Privatsektor von zuvor 2,4% auf 2,1%. Bei den Geldmengen stieg die breit gefasste Geldmenge M3 zum Vorjahr um 1,4% – die niedrigste Rate seit Mitte 2014. Im Vormonat hatte das Wachstum 1,9% betragen. Die enger gefasste Geldmenge M1 schrumpfte um 6,4%. Im April war sie um 5,2% geschrumpft.

„Die raschen Zinserhöhungen werden sich noch weiter dämpfend auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken, da die geldpolitische Transmission weiterhin durch das System läuft. Dies veranlasst uns zu der Annahme, dass das Wachstum in absehbarer Zukunft bestenfalls schleppend bleiben wird“, sagte Bert Colijn, leitender Volkswirt für die Eurozone bei der ING Bank. „Dennoch zeigen die heutigen Zahlen keinen Einbruch, der ein Umdenken der EZB in Bezug auf weitere Zinserhöhungen bewirken würde.“

Nach langem Zögern hat die EZB seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um insgesamt 400 Basispunkte und damit so aggressiv wie noch nie angehoben, um die zeitweise auf 10,6% hochgeschnellte Inflation zu dämpfen. Der aktuelle wichtigste Einlagenzins liegt nun bei 3,5%, so hoch wie zuletzt im Mai 2001. Für Juli hat der EZB-Rat eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte angedeutet. Unklar und umstritten ist, ob es darüber hinausgeht.

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