Geldpolitik

EZB hebt Zinsen erneut an und avisiert noch mehr

Die EZB hat ihre Leitzinsen erneut angehoben und für Juli bereits die nächste Erhöhung signalisiert. Sie grenzt sich damit auch von der US-Notenbank Fed ab, die erst einmal eine Zinspause eingelegt hat.

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Lagarde: Erhöhung im Juli „sehr wahrscheinlich“ – Sorge wegen zu hoher Inflation

ms/mpi/tom Frankfurt
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Trotz des Abrutschens der Euro-Wirtschaft in die technische Rezession hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen erneut angehoben und für Juli sogar eine weitere Erhöhung avisiert. Die Euro-Notenbanker erhöhten ihre Schlüsselsätze am Donnerstag um weitere 25 Basispunkte und begründeten das mit der weiter deutlich oberhalb des Zielwerts liegenden Inflation. Mit Blick auf die nächste Zinssitzung am 27. Juli bezeichnete EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Zinsanhebung als „sehr wahrscheinlich“. „Wir denken nicht an eine Pause“, fügte sie hinzu.

Eine erneute Zinserhöhung war weithin prognostiziert worden. Mit Spannung waren aber Aussagen zum weiteren Kurs erwartet worden. Viele Beobachter hatten gemutmaßt, dass sich die EZB da eher bedeckt halten würde – zumal das im EZB-Rat durchaus umstritten schien. Hintergrund ist nicht zuletzt, dass die Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr zwei Quartale in Folge geschrumpft ist. Am Mittwochabend hatte die US-Notenbank erstmals seit März 2022 eine Zinserhöhungspause eingelegt, aber etwas überraschend zwei weitere Zinserhöhungen bis Jahresende signalisiert.

Die EZB hat ihre Leitzinsen nun seit Juli vergangenen Jahres um 400 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie. Der Hauptrefinanzierungszins liegt jetzt mit 4,0% auf dem höchsten Stand seit Oktober 2008. Der aktuell fast noch wichtigere Einlagenzins liegt mit 3,5% sogar auf dem höchsten Stand seit Mai 2001. Unter Ökonomen ist zunehmend umstritten, ob die EZB überzieht oder richtig handelt.

„Die Inflation hat sich verringert, sie wird den Projektionen zufolge jedoch zu lange zu hoch bleiben“, erklärte der EZB-Rat. Im Mai lag die Teuerung bei 6,1%, nachdem sie im Oktober noch bei 10,6% gelegen hatte. Die EZB-Volkswirte hoben am Donnerstag ihre Projektionen für die Inflation noch einmal an. Im Jahresdurchschnitt 2025 sehen sie sie nun bei 2,2% (zuvor: 2,1%). Der EZB-Rat zeigte sich „entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2% zu sorgen“. Zugleich hieß es, dass die bisherigen Zinserhöhungen allmählich in der Wirtschaft ankämen. Er bestätigte zudem, dass er die Reinvestitionen aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) ab Juli 2023 komplett einstellt. Damit soll der enorme Anleihebestand etwas schneller sinken.

Auch an den Börsen war die Zinserhöhung erwartet worden. Der Dax startete nach schwachen Konjunkturdaten aus China mit einem Minus, machte dies aber auch dank Gewinnen an den US-Börsen bis zum Abend wieder wett und ging mit einem Abschlag von 0,1% bei 16.290 Punkten unweit seines am Mittwoch markierten Allzeithochs aus dem Handel.

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