Geldpolitik

EZB-Ratsmitglieder debattieren über weiteren Kurs

Am Tag nach dem EZB-Zinsentscheid häuften sich die Stimmen aus dem EZB-Rat, die eine weitere Zinserhöhung im Jahresverlauf für gut möglich halten. Aus der italienischen Politik gab es scharfe Kritik an der Notenbank – samt Rücktrittsforderung an EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

EZB-Ratsmitglieder debattieren über weiteren Kurs

EZB-Ratsmitglieder debattieren über weiteren Kurs

Zinsgipfel wohl so gut wie erreicht Rücktrittsforderungen an Lagarde aus Italien

mpi Frankfurt

Nach dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich am Freitag zahlreiche Ratsmitglieder über den möglichen geldpolitischen Kurs im Herbst geäußert. Dabei häuften sich die Stimmen, die noch eine weitere Zinserhöhung der EZB im laufenden Zinszyklus für gut möglich halten – wenn auch nicht unbedingt bereits bei der kommenden Sitzung im September.

„Vielleicht wird es im September eine Pause geben“, sagte Litauens Notenbankchef Gediminas Simkus gegenüber Journalisten in Vilnius. „Aber möglicherweise müssen wir dann im Oktober weiter anheben.“ Zinssenkungen vor der zweiten Hälfte 2024 hält der Litauer für unwahrscheinlich. Eine ähnliche Position vertritt sein slowakischer Amtskollege Peter Kazimir. „Selbst wenn wir im September eine Pause einlegen würden, wäre es verfrüht, dies automatisch als Ende des Straffungszyklus zu betrachten.“ Den Zinsgipfel, also das Ende der Zinsanhebungen, sieht er dennoch wie Simkus in greifbarer Nähe. Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel hält eine weitere Anhebung der Leitzinsen im Herbst für gut möglich. „Wir erwarten, dass die hohe Inflation im Euroraum schwächer wird, doch besiegt ist sie noch nicht“, teilte Nagel am Freitag in Frankfurt mit. „Ob wir die Zinsen weiter anheben müssen, entscheiden wir im September auf Basis der dann verfügbaren Daten und Projektionen.“

Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras hält derzeit eine weitere Zinserhöhung bei der kommenden Sitzung nicht für nötig und geht zudem davon aus, dass der Zinsgipfel so gut wie erreicht ist. „Es sieht so aus, als ob wir kurz vor dem Ende der Zinserhöhungen stehen“, sagte er gegenüber einer griechischen Nachrichten-Webseite. „Auf jeden Fall denke ich, dass wir, wenn es im September noch eine weitere Anhebung gibt – und dafür sehe ich kaum einen Grund –, dass wir dort aufhören werden.“

Lohnentwicklung entscheidend

Neutraler äußerte sich Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau. „Die Entscheidungen auf den kommenden Sitzungen werden offen sein und vollständig von der konjunkturellen Entwicklung abhängen.“ Dabei habe die EZB besonders die Lohnentwicklung im Blick. „Um nur zwei Beispiele zu nennen: In Deutschland sollen die Gespräche für Arbeitnehmer im Einzel-, Groß- und Außenhandel mindestens bis September dauern, während in Irland die Regierung erst im Herbst darüber entscheiden wird, um wie viel der Mindestlohn ab 2024 steigen wird.“

Erneut scharfe Kritik an der EZB kam aus der italienischen Politik. Ein hochrangiger Senator der Regierungskoalition von Premierministerin Giorgia Meloni hat die Entlassung von Christine Lagarde als Chefin der EZB gefordert. Lagarde „muss ausgeschlossen werden“, schrieb der Abgeordnete Maurizio Gasparri von der Mitte-rechts-Partei Forza Italia in einem Tweet. Sein Kommentar stellt keine offizielle Regierungsposition dar, aber er ist eine einflussreiche Persönlichkeit im politischen Establishment des Landes.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani sagte in einem Interview am Donnerstagmorgen vor dem EZB-Zinsentscheid, dass eine weitere Erhöhung der Kreditkosten in der Eurozone ein Fehler wäre, der zu einem Wirtschaftsabschwung führen könnte.

Kolumne Seite 2
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