Geldpolitik

EZB signalisiert weitere geldpolitische Straffung im Juli

Die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank um weitere 25 Basispunkte dürfte nicht die letzte gewesen. Dies machte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid deutlich.

EZB signalisiert weitere geldpolitische Straffung im Juli

Trotz des Abrutschens der Euro-Wirtschaft in die technische Rezession hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen erneut angehoben. Die Euro-Notenbanker erhöhten ihren Hauptrefinanzierungszins am Donnerstag wie erwartet um weitere 25 Basispunkte auf jetzt 4,0% und begründeten das mit der weiter deutlich oberhalb des Zielwerts liegenden Inflation. Der Zins liegt somit auf dem höchsten Stand seit Oktober 2008. Der aktuell fast noch wichtigere Einlagenzins erhöhte sich von 3,25% auf 3,5%. Das bedeutet sogar den höchsten Stand seit Mai 2001.

Zudem signalisierte die EZB, dass der Zinsgipfel wohl noch nicht erreicht sein dürfte. „Unsere weiteren Beschlüsse werden sicherstellen, dass die Inflation mittelfristig auf unser Inflationsziel von 2% zurückgeht“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir die Zinsen im Juli erneut anheben werden. Wir sind noch nicht am Ziel unserer Reise angelangt.“ Wann der Zinsgipfel erreicht sein dürfte, wollte Lagarde nicht kommentieren. „Wenn wir angekommen sind, werden wir das erkennen.“

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„Der Zinserhöhungsprozess nähert sich dem Ende. Aber es ist fraglich, ob ein EZB-Einlagensatz von 3,5% ausreicht, die Inflation nachhaltig auf 2% zu senken“, meint auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Der Anstieg der Löhne hat sich massiv beschleunigt, was die Preise für Dienstleistungen rasch steigen lässt. Die EZB hat das Inflationsproblem noch lange nicht gelöst.“

Die EZB-Sitzung war mit großer Spannung erwartet worden. Zwar galt eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte quasi als ausgemacht. Der weitere Kurs war aber unklar und ist durchaus umstritten unter den Notenbankern. Die Hardliner im EZB-Rat, die „Falken“, dringen auf weitere Zinserhöhungen, womöglich auch über den Sommer hinaus. Sie argumentieren mit der weiterhin zu hohen Inflation und warnen vor der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Die „Tauben“ dagegen mahnen zur Vorsicht und verweisen auf den deutlichen Rückgang der Inflation, die Abschwächung der Wirtschaft und die verzögerte Wirkung der bisherigen Straffung. Am Mittwochabend hatte die US-Notenbank erstmals seit März 2022 eine Zinserhöhungspause eingelegt, aber etwas überraschend zwei weitere Zinserhöhungen bis Jahresende signalisiert.

Die EZB hat seit Juli vergangenen Jahres ihre Leitzinsen um nun insgesamt 400 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie zuvor. Die Inflation im Euroraum ist seit dem absoluten Rekordhoch von 10,6% im Oktober auf 6,1% im Mai zurückgegangen. Das liegt aber immer noch deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Inflationsziels von 2,0%. Im Mai gab es zudem erstmals auch einen deutlichen Rückgang der Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) von 5,6% auf 5,3%. Sie gilt als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck. Die Wirtschaft in Euroland und in Deutschland ist derweil sowohl Ende 2022 als auch Anfang 2023 geschrumpft; sie befindet sich also in einer technischen Rezession. Mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das DIW Berlin gaben am Donnerstag bekannt, dass sie damit rechnen, dass die deutsche Wirtschaft auch auf das Gesamtjahr 2023 gesehen schrumpfen wird.

Höhere Inflationsprognosen

Die EZB gab am Donnerstag zudem bekannt, dass sie von einem länger anhaltenden Inflationsdruck als bislang ausgeht, auch wenn es erste Anzeichen für eine Entspannung bei der Kerninflation gebe. Dennoch werde die Kerninflation in diesem und im kommenden Jahr deutlich stärker steigen als bislang angenommen (siehe Grafik). Auch die Prognose für die Gesamtrate hebt die Notenbank an. Beim Wirtschaftswachstum bleibt die EZB trotz einer Korrektur nach unten relativ optimistisch und geht von 0,9% für 2023 aus.

Von mehreren Gewerkschaften hatte es wegen der schwächelnden Konjunktur Forderungen an die EZB gegeben, die Wirtschaft nicht mit weiteren Zinserhöhungen zu belasten. Auch die Tauben im EZB-Rat sind der Ansicht, dass spätestens bei der kommenden Sitzung im Juli der Zinsgipfel erreicht sein sollte. Die Falken im Rat, darunter Bundesbankpräsident Joachim Nagel und sein niederländischer Amtskollege Klaas Knot, hatten dagegen in den vergangenen Wochen öffentlich eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte im September ins Spiel gebracht – und dabei auf die hartnäckig hohe Kerninflation verwiesen.

Der EZB-Rat bestätigte am Donnerstag zudem, dass er die Tilgungsbeträge aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) ab Juli nicht wieder anlegen wird. Auch über diesen Weg entzieht die EZB den Märkten Liquidität, was den Inflationsdruck senkt.

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