Geldpolitik

EZB-Taube setzt Kontrapunkt

In den vergangenen Tagen haben vor allem die EZB-„Falken“ den Ton angegeben und mit Zinserhöhungen über Juli hinaus geliebäugelt. Nun macht ein Vertreter des „Tauben“-Lagers einen Punkt: Die Zinserhöhungen stünden kurz vor dem Ende.

EZB-Taube setzt Kontrapunkt

EZB-Taube setzt Kontrapunkt

Stournaras: Bei Zinsstraffung „kurz vor dem Ende“ – Beobachter wetten auf Zinsgipfel im Juli

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Yannis Stournaras kurz vor dem Ende ihres beispiellosen Zinserhöhungskurses. Ein oder zwei Zinserhöhungen könnten noch folgen, aber „wir sind kurz vor dem Ende“, sagte Stournaras jetzt laut Bloomberg im griechischen Fernsehen. Mit seinen Aussagen setzt Griechenlands Zentralbankchef einen Kontrapunkt zu den jüngsten Aussagen vieler Hardliner im EZB-Rat, die sogar mit Zinserhöhungen über Juni und Juli hinaus geliebäugelt hatten. Er nährt damit die verbreitete Erwartung, dass spätestens im Juli Schluss ist mit Zinserhöhungen.

Angesichts der zeitweise zweistelligen Inflation haben die Euro-Notenbanker seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um insgesamt 375 Basispunkte angehoben – so aggressiv wie nie zuvor. Zudem haben sie erst ihre Anleihekäufe eingestellt und bauen den Bestand nun langsam ab. Jetzt müssen sie entscheiden, wie es weitergeht, und die Meinungen gehen auseinander. Die Hardliner („Falken“) pochen auf weitere deutliche Zinserhöhungen und argumentieren mit der weiter zu hohen Inflation von zuletzt 7,0%. Die „Tauben“ mahnen zur Vorsicht und verweisen auf die schwächelnde Wirtschaft. In den vergangenen Tagen hatten vor allem die „Falken“ den Ton angegeben und erklärt, dass die Leitzinsen auch über Juli hinaus steigen könnten – also länger als derzeit vielfach erwartet.

Griechenlands Zentralbankchef Stournaras, der zu den „Tauben“ zählt, sagte nun zu Naftemporiki TV: „Ob es eine weitere Zinserhöhung sein wird, zwei weitere Zinserhöhungen, kann ich nicht sagen, das wird von den Prognosen für die Inflation und den Prognosen für die finanziellen Bedingungen in der Eurozone abhängen.“ Zudem fügte er hinzu, dass die EZB kurz vor dem Ende stehe. „Wir wissen im Moment nicht, ob wir zu der sehr niedrigen Inflation zurückkehren werden, die wir vor der Pandemie hatten“, sagte der Notenbanker zudem.

Marktteilnehmer zuversichtlich

Laut aktuellen Umfragen der Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters gehen die meisten Beobachter derzeit davon aus, dass es noch zwei Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte bei den Zinssitzungen im Juni und Juli geben wird und dann der Zinsgipfel erreicht ist. Der aktuell wichtige Einlagenzins läge dann bei 3,75%. Der Geldpolitikexperte und frühere Wirtschaftsweise Volker Wieland hatte vor kurzem im Interview der Börsen-Zeitung anlässlich der jüngsten EZB-Sitzung gesagt, dass es womöglich einen Einlagenzins von 4% oder 5% brauche, um die Inflation absehbar wieder auf den mittelfristigen EZB-Zielwert von 2,0% zu drücken (vgl. BZ vom 5. Mai).

In einer am Montag vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht hatten die Notenbankvolkswirte erstmals konkret die Wirkung der bisherigen geldpolitischen Normalisierung seit Dezember 2021 und vor allem seit Juli 2022 mit den Zinserhöhungen beziffert. Demnach ist die Inflation bereits im Jahr 2022 um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausgefallen als ohne Straffung und für die Jahre 2023 bis 2025 wird der dämpfende Effekte im Schnitt auf 2 Prozentpunkte pro Jahr geschätzt. Die wirtschaftliche Aktivität werde in den Jahren 2022 bis 2025 ebenfalls um 2 Prozentpunkte gedämpft, so die EZB-Volkswirte (vgl. BZ vom 16. Mai).

Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño sagte am Montagabend, sie sei zuversichtlich, dass die EZB die richtigen Schritte unternehme, um mittelfristig dazu beizutragen, die Inflation wieder auf 2,0% zurückzuführen „und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir weiterhin ein starkes Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa haben“.

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