Fast ganz Italien ist jetzt gelb
Fast ganz Italien ist seit Montag gelb: „zona gialla“. Anders als in den roten und orangefarbenen Zonen dürfen etwa in Mailand, Venedig und Rom Restaurants und Cafés wieder bis 18 Uhr öffnen, ebenso wie der Großteil der Schulen und praktisch alle Geschäfte – sehr zum Missfallen vieler Virologen. Denn Innenstädte und Strandpromenaden im ganzen Land waren schon am Sonntag voll von Menschen, die es offenbar nicht erwarten konnten, wieder rauszukommen. Nur in Südtirol, Umbrien, Apulien, Sardinien und Sizilien, allesamt „zona arancione“ (orange Zone), gelten noch die strengeren Coronaregeln.
Überall sonst hat der Großteil der Gastronomiebetriebe nun wieder aufgemacht. In den Lokalen sitzen mittags viele Gäste beim Essen. Für Cafés und Restaurants ist das aber nur eine kleine Genugtuung, denn vor allem in Städten wie Mailand, Venedig, Verona, Florenz oder Rom leben diese Betriebe vor allem von Touristen. Und die fehlen weiterhin. Der Tourismus, der 13% zum Bruttoinlandsprodukt Italiens beiträgt, ist drastisch eingebrochen. Und da die Coronakrise wohl so schnell nicht endet, werden Touristen weiter auf sich warten lassen. Giuseppe Roscioli, Präsident des Hotelier-Branchenverbandes Federalberghi, fürchtet, dass ein Viertel der Hotelbetriebe dauerhaft zu bleibt.
Auch kulturelle Einrichtungen wie Theater, Kinos und Konzertsäle sind weiter geschlossen. Museen dagegen dürfen wieder öffnen. Den Anfang hatten die Uffizien in Florenz gemacht, die schon seit dem 21. Januar offen haben, weil die Toskana schon länger gelbe Zone ist. 77 Tage war das berühmte Museum geschlossen. Bei den Besuchern, die selbstverständlich Masken tragen müssen, wird die Temperatur gemessen, und natürlich ist der Mindestabstand einzuhalten. Auch die Museen in Mailand, das Ägyptische Museum in Turin oder die Vatikanischen Museen in Rom sind wieder offen – in der Regel braucht es aber eine Online-Reservierung, und der Zugang ist begrenzt. Einige Häuser bleiben jedoch zu, etwa das Wissenschaftsmuseum Leonardo da Vinci in Mailand. Direktor Fiorenzo Galli will noch bis März warten. Zu groß sei der Aufwand, wenn dann womöglich schon bald wieder geschlossen werden müsse, meint er. Denn schon in der Vergangenheit rutschten Regionen von der gelben in die rote Zone und zurück: Dieses Hü und Hott zermürbt viele Italiener.
Ob auch das Festival della Canzone Italiana, das Schlagerfestival von Sanremo, ein kulturelles Ereignis ist, darüber kann man streiten. Ein großes Event ist es auf jeden Fall: Bis zu 13,6 Millionen Italiener saßen im letzten Jahr an fünf Abenden vor dem Bildschirm und sahen sich zumindest einen Teil der 30-stündigen Live-Übertragung des Staatsfernsehens RAI an. Für den Veranstalter, den staatlichen Fernsehsender RAI, ist Sanremo ein Riesengeschäft: 37,7 Mill. Euro nahm er 2020 ein, als das Festival kurz vor Beginn der Coronakrise stattfand. Unter dem Strich blieben 20 Mill. Euro in der Kasse. Und auch für Sanremo und die großen Musiklabels ist die Veranstaltung im Winter ein Geldsegen – normalerweise.
Seit Wochen wird darüber gestritten, ob „Sanremo“, wo die Karrieren von Adriano Celentano, Eros Ramazzotti und vielen anderen begannen, vom 2. bis 6. März stattfinden kann und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Kulturminister Dario Franceschini goss Öl ins Feuer und twitterte, man könne nicht Theater schließen, für ein Schlagerfestival aber eine Ausnahme machen. Moderator Amedeo Sebastiani, in Italien nur „Amadeus“ genannt, drohte, die Veranstaltung nicht zu moderieren, sollte kein Publikum am Veranstaltungsort, dem Teatro Ariston, zugelassen werden: „Sanremo ohne Publikum ist sinnlos.“
Nun wäre er wohl froh, wenn das Festival überhaupt stattfände. Die RAI hat dem Wissenschaftsrat, der darüber befinden muss, vorgeschlagen, die Veranstaltung ohne Publikum und ohne das sonst übliche Rahmenprogramm in den Straßen des ligurischen Seebades durchzuführen. Das Expertengremium kommt in den nächsten Tagen zusammen. Es hat vier Möglichkeiten. Sanremo findet ohne Publikum am bisherigen Ort statt, es findet anderswo statt, es wird verschoben oder es wird für dieses Jahr annulliert. Dass auch Ligurien jetzt „zona gialla“ ist, hilft da auch nicht mehr.