EU-Fiskalregeln

Finanzminister erhalten dringlichen Auftrag

Die Verhandlungen über eine Reform der Fiskalregeln sind festgefahren, und es bleibt kaum noch Zeit. EZB-Chefin Christine Lagarde redet den Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel ins Gewissen.

Finanzminister erhalten dringlichen Auftrag

Auftrag an Finanzminister

EU-Gipfel: Gemeinsame Haushaltsregeln wesentlich – Lagarde fordert Signal der Einheit

Die Verhandlungen über eine Reform der Fiskalregeln sind festgefahren, und es bleibt kaum noch Zeit. EZB-Chefin Christine Lagarde redet den Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel ins Gewissen. Dass Italien mit seinen Haushaltsplänen auf Bewährung ist, macht das Unterfangen dringlicher – und schwieriger.

rec Brüssel

Vom EU-Gipfel geht ein Auftrag an Europas Finanzminister aus, zügig die festgefahrenen Gespräche über gemeinsame Fiskalregeln zum Erfolg zu führen. Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Haushaltspolitik seien für die EU "als Ganzes von wesentlicher Bedeutung", heißt es in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs. EZB-Chefin Christine Lagarde drang hinter verschlossenen Türen dem Vernehmen nach auf eine rechtzeitige Einigung.

Scholz sieht noch viel Arbeit

Ab Januar müssen sich die Regierungen der 27 EU-Staaten wieder an Grenzen für Verschuldung und Haushaltsdefizite halten. Welche Fiskalregeln dafür künftig genau gelten werden, ist allerdings nach wie vor umstritten. Ein von der Bundesregierung angeführtes Lager pocht auf Haushaltsdisziplin und jährliche Vorgaben zum Schuldenabbau. Eine Koalition um Frankreich, Italien und Spanien macht sich für mehr Flexibilität stark.

Lagarde fordert einen klassischen Kompromiss: "Der finanzpolitische Rahmen der EU muss sowohl die Schuldentragfähigkeit als auch die notwendigen Investitionen für Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz fördern", gab sie nach Angaben eines EU-Diplomaten den Staats- und Regierungschefs mit. "Eine Einigung über die künftige Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts vor Ende des Jahres wäre ein wichtiges Signal der Einheit."

Gedämpfte Erfolgsaussichten

Bundeskanzler Olaf Scholz dämpft allerdings die Erfolgsaussichten. Es sei wichtig, Ergebnisse zu erzielen, doch dafür müsse noch hart gearbeitet und viel diskutiert werden. Das müsse man "als Auftrag begreifen", sagte Scholz zum Abschluss des zweitägigen EU-Gipfels, der ansonsten ganz unter dem Eindruck außenpolitischer Krisen stand.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und seinen Kollegen bleibt nur noch eine Gelegenheit, eine Einigung in die Wege zu leiten: Verstreicht auch ihr nächstes Treffen am 9. November in Brüssel ohne Durchbruch, wird die Zeit bis Jahresende definitiv zu knapp. Schließlich steigen anschließend auch EU-Parlament und EU-Kommission, der maßgeschneiderte Schuldenpläne über einen Vierjahreszeitraum vorschweben, formell in weiterführende Verhandlungen ein.

Italien im Fokus

Geht es ohne gemeinsame Haushaltsregeln ins kommende Jahr, dürfte das die Finanzmärkte kaum kaltlassen. Insbesondere Italien agiert auf Bewährung, seit Finanzminister Giancarlo Giorgetti vor wenigen Wochen eine fragwürdige Finanzplanung vorgelegt hat. Giorgetti plant bis einschließlich 2025 mit Defiziten, die jenseits des einschlägigen Maastricht-Kriteriums von 3% liegen.

Diese Defizitgrenze wird auch mit den künftigen Regeln maßgeblich sein. Die EU-Kommission wird das nach Lage der Dinge zwingen, im kommenden Frühjahr wieder ein Defizitverfahren gegen Italien zu eröffnen. Die Ratingagentur S&P hat vorerst von einer befürchteten Herabstufung von Italiens Kreditwürdigkeit abgesehen. Doch das kann sich mit jeder anstehenden Ratingentscheidung ändern – und schon jetzt zahlt Rom höhere Risikoaufschläge (Spreads) als Griechenland.

Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz, findet diese Entwicklung besorgniserregend. "Wir sehen einen nie dagewesenen Ausverkauf italienischer Staatsanleihen, und das wird sich mit der fiskalischen Glaubwürdigkeit, die diese Regierung gewählt hat, nicht bessern", sagte Subran zu Bloomberg. Mit der problematischen Haushaltsplanung rückt auch die Unterstützung der EZB für Italien an den Anleihemärkten wieder vermehrt in den Fokus. Ohne diese Unterstützung würden die Spreads wohl sprunghaft steigen, sagt Robin Brooks, Chefvolkswirt des Bankenverbands IIF. Die EU-Kommission, so seine Sorge, könnte sich in falscher Sicherheit wiegen, wenn es um die Schuldentragfähigkeit Italiens geht.

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