GastkommentarHaushaltspolitik

Fiskalstrategien der USA und Deutschland im Praxistest

Die USA setzen vor allem auf Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende, um die Konjunktur anzukurbeln. Deutschland geht mit der Modernisierung seiner Wirtschaft grundsätzlicher vor. Letzteres scheint das nachhaltigere und erfolgversprechendere Konzept zu sein.

Fiskalstrategien der USA und Deutschland im Praxistest

Fiskalstrategien der USA und Deutschland im Praxistest

Auf beiden Seiten des Atlantiks, sowohl in den USA als auch in Deutschland, wurden zuletzt zwei bedeutende finanzpolitische Programme verabschiedet. Es handelt sich in beiden Fällen letztlich um umfangreiche Konjunkturmaßnahmen, die durch Kreditaufnahme finanziert werden. Beide Ansätze, die „Big Beautiful Bill“ von US-Präsident Donald Trump und die Milliarden aus dem Sondervermögen sowie zusätzliche Gelder für die Bundeswehr von Bundeskanzler Friedrich Merz, sind jedoch diametral entgegengesetzt angelegt.

Kostspieliges Unterfangen

Wie erwartet werden in den USA die Steuersenkungen von 2017 beibehalten. Darüber hinaus führt die Regierung diese aber fort, darunter eine Steuerbefreiung für Trinkgelder und Überstunden, Steuerabzüge für Senioren sowie eine Anhebung der Obergrenze für den Abzug von staatlichen und Kommunalsteuern SALT von 10.000 auf 40.000 US-Dollar. Dadurch können insbesondere Haushalte ihre Grundsteuern von der Bundessteuer abziehen. Diese Kürzungen sollen 2028 oder 2029 auslaufen, während die Ausgabenkürzungen immer weiter zunehmen werden – sofern die Republikanische Partei bei den Zwischenwahlen im November 2026 ihre Mehrheit im Kongress behält.

Im neuen Mehrjahreshaushalt kürzt die Regierung dagegen die Subventionen für den Umweltschutz. So streicht sie unter anderem zahlreiche Anreize für erneuerbare Energien und schafft die Steuergutschrift für den Kauf von Elektrofahrzeugen im September 2025 ab. Dagegen unterstützt sie Maßnahmen zur Förderung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie. Darüber hinaus werden die Sozialleistungen gekürzt: 12 Millionen Menschen könnten den Zugang zu Medicaid und dem Lebensmittelhilfeprogramm SNAP verlieren. Dagegen bewilligt sind höhere Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung: 170 Mrd. Dollar für die Grenzsicherung und 150 Mrd. für die Verteidigung.

4,5 Bill. Dollar weniger Steuern

Insgesamt werden die Steuersenkungen über einen Zeitraum von 10 Jahren auf 4,5 Bill. Dollar geschätzt. Da jedoch nur 1,5 Bill. Dollar an Ausgabeneinsparungen erzielt werden, dürfte sich die Verschuldung um mehr als 3 Bill. Dollar erhöhen. Die Steuersenkungen treten zudem sofort in Kraft, einige sogar rückwirkend, die im Haushalt vorgesehenen Kürzungen jedoch erst zum Oktober 2026. Dies wird zu einer Konjunkturbelebung in der zweiten Hälfte 2025 und in der ersten Hälfte 2026 führen.

Tatsächlich werden die reichsten Haushalte am meisten von Steuersenkungen profitieren; die ärmsten Haushalte müssen dagegen ab Oktober 2026 erhebliche Verluste hinnehmen. Die Unternehmen wiederum werden von der Wiedereinführung der sofortigen Steuererleichterung von 100% auf Investitionen profitieren. Dies dürfte kurzfristig Investitionen und Beschäftigung insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen fördern.

Gefahr für die Zukunft

Diese schuldenfinanzierten fiskalischen Impulse sind jedoch fehlgeleitet. So gibt es keinen Grund, eine Wirtschaft anzukurbeln, die in den beiden vorangegangenen Jahren bereits auf Hochtouren lief. Die starke Wirtschaftsleistung sollte nicht über die exorbitanten Kosten des OBBB – „One Big Beautiful Bill“ – und seine mittelfristigen, negativen sozialen Auswirkungen hinwegtäuschen. Wir meinen, dass das OBBB eine weitere Gefahr für die Zukunft der wirtschaftlichen Stärke der USA darstellt.

In Deutschland weht hingegen ein Wind der Hoffnung. Die neue Koalition aus CDU/CSU und SPD hat ein umfangreiches Konjunkturpaket geschnürt. Der derzeit im Bundestag diskutierte Haushaltsentwurf für 2025 signalisiert einen deutlichen Kurswechsel in der Finanzpolitik, der auf Investitionen, Modernisierung und wirtschaftliche Erholung abzielt.

Deutsche Renaissance

Um der Nullwachstumsfalle zu entkommen, plant die Koalition, die öffentlichen Investitionen in den nächsten 12 Jahren deutlich anzukurbeln. So sind für 2025 mehr als 115 Mrd. Euro und für 2026 fast 124 Mrd. Euro vorgesehen (zum Vergleich: 74,5 Mrd. Euro im Jahr 2024). Zur Finanzierung der Erneuerung der Infrastruktur – einschließlich Eisenbahn, Straßen, Brücken, Digitalisierung, sozialer Wohnungsbau und Stadtentwicklung – sowie der Klimawende bis 2036 wird ein Sonderfonds in Höhe von 500 Mrd. Euro eingerichtet. Außerdem sind Steuersenkungen in Höhe von 23 Mrd. Euro geplant.

Die Verteidigungsausgaben werden ebenfalls deutlich steigen. Sie liegen 2025 bereits bei 2,4% des BIP und werden 2029 etwa 3,5% betragen – bereits sechs Jahre vor der kürzlich von der NATO gesetzten Frist. Ein Sonderabschreibungsmechanismus ermöglicht es Unternehmen zudem, 30 % der bis 2027 getätigten Anlageninvestitionen steuerlich geltend zu machen. Weitere geplante Maßnahmen zielen darauf ab, Bürokratie abzubauen, Arbeitsanreize zu verbessern und das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften zu erhöhen. Investitionen werden zudem in Bildung, Gesundheit und digitale Technologien fließen.

Modernisierung der Wirtschaft

All diese Maßnahmen zielen darauf ab, die deutsche Wirtschaft von Grund auf zu modernisieren, ihren Infrastrukturrückstand aufzuholen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, den Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft zu beschleunigen und Sicherheitsbedenken durch mehr Rüstung auszuräumen. Die endgültige Abstimmung über den Haushalt wird für September 2025 erwartet.

Darüber hinaus rechnet man auch mit einem Anstieg der privaten Investitionen. Am 21. Juli kündigte eine Gruppe von Industrieunternehmerinnen und -unternehmern das Programm „Made for Germany" mit einem Volumen von 630 Mrd. Euro an, um das Land in den nächsten drei Jahren wieder zu industrialisieren. Dieses Programm wurde in Abstimmung mit Bundeskanzler Merz entwickelt. Obwohl der Großteil dieser Mittel bereits zugewiesen war, wurden zusätzliche Projekte bis 2028 in Höhe von 100 Mrd. Euro angekündigt, also etwa 2,3% des BIP.

Untragbar hohe Schulden

Letztendlich stehen sich die amerikanische und die deutsche Strategie diametral gegenüber. Die US-Politik wird zu einem untragbaren Anstieg der Staatsverschuldung führen. Die Schuldenquote dürfte bis 2034 auf fast 130% des Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigen. Mit der Zeit werden Investoren zwangsläufig eine höhere Risikoprämie für das Halten langfristiger Staatsanleihen verlangen. Im Gegensatz dazu wird die deutsche Staatsverschuldung zwar zulegen, aber mit 70% des BIP im Jahr 2030 moderat bleiben. Anleger sollten die bevorstehenden umfangreichen „Bund“-Emissionen daher begrüßen. Sie bieten internationalen Investoren, die ihre Portfolios zugunsten sichererer Wertpapiere umschichten möchten, eine einmalige Gelegenheit.

Didier Borowski

Chefvolkswirt bei Amundi