Rentenbesteuerung

Fiskus muss kürzertreten

Jahrzehntelang ging der juristische Streit über die korrekte Besteuerung der gesetzlichen Altersrente. Die Richter des Bundesfinanzhofs haben nun mit einem Grundsatzurteil Klarheit geschaffen.

Fiskus muss kürzertreten

wf Berlin

Im juristischen Streit über die Doppelbesteuerung von Renten hat der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals genaue Berechnungsparameter festgelegt. Auf dieser Basis kamen die Richter zu dem Urteil, dass künftige Rentenjahrgänge von einer Doppelbesteuerung betroffen sein dürften, erklärte der Zehnte Senat des obersten Finanzgerichts in München. Vor allem der Grundfreibetrag, der allen Steuerzahlern zusteht, müsse bei der Besteuerung der Alterseinkünfte ausgeklammert werden, sagte die Vorsitzende Richterin Jutta Förster. Dem Gesetzgeber legte der BFH konkrete Vorgaben vor, wie die Doppelbesteuerung zu vermeiden ist.

Die Revision des Klägers, der seit 2007 Rente bezieht, wiesen die Richter indessen zurück. Die Geldentwertung, die der Kläger bei seiner Berechnung angeführt hatte, muss dem BFH zufolge nicht berücksichtigt werden. Für eine Abweichung vom Nominalwertprinzip gebe es weder im Einkommensteuerrecht noch im Verfassungsrecht eine Grundlage, entschied das Gericht.

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Eine Niederlage vor Gericht hätte dem Bund Steuermindereinnahmen von 1 bis 2 Mrd. Euro im Jahr verursacht. SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz will die reformierte Rentenbesteuerung mit einer Einkommensteuerreform verbinden. „Die nächste Legislaturperiode muss direkt beginnen mit einer Steuerreform, die kleine und mittlere Einkommen entlastet“, sagte Scholz in Berlin. Alle, die in die Rentenversicherung einzahlten, müssten davon profitieren – Rentner ebenso, Spitzenverdiener aber nicht. „Das kann schnell auf den Weg gebracht werden“, sagte Scholz.

Die Finanzexperten der Regierungsfraktionen im Bundestag kündigten an, das Thema rasch auf die Tagesordnung zu setzen. „Die neue Rechtsprechung des BFH hat Auswirkungen auf die Besteuerung zukünftiger Altersrenten“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann. „Deshalb werden wir im kommenden Finanzausschuss des Deutschen Bundestags mit dem Bundesfinanzministerium diskutieren, wie die nun deutlich eher als bisher im Jahre 2040 erwartete Doppelbesteuerung der Renten vermieden werden kann“, stellte Tillmann in Aussicht.

„Finanzverwaltung gefragt“

„Für die SPD-Fraktion im Bundestag ist klar, dass es weder für heutige noch für künftige Rentnergenerationen zu einer Doppelbesteuerung ihrer Renten kommen darf“, unterstrichen der finanzpolitische Sprecher Lothar Binding und die Berichterstatterin für Rentenbesteuerung Cansel Kiziltepe. Die Finanzverwaltung müsse nun prüfen, ob dies schon heute in Einzelfällen vorkomme. „Um in Zukunft eine Doppelbesteuerung abzuwenden, muss in der kommenden Legislatur im Rahmen einer Reform der Einkommensteuer die steuerliche Abzugsfähigkeit von Rentenbeiträgen verbessert werden“, betonten die beiden SPD-Politiker.

Für die FDP-Fraktion forderte Fraktionsvize Christian Dürr die Bundesregierung auf, umgehend die Berechnungsgrundlage für die Rentenbesteuerung anzupassen. „Bundesfinanzminister Scholz hat dieses Problem über viele Jahre schlichtweg ignoriert, nun bekommt er die Quittung“, konstatierte Dürr.

„Ohne Grundfreibeträge“

Mit der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der gesetzlichen Renten seit 2005 werden die Beiträge steuerfrei gestellt und die spätere Rente wird besteuert. Der Übergang zieht sich schrittweise bis 2040. Ziel ist es, dass Beiträge aus versteuertem Einkommen nicht später erneut als Rente besteuert werden. Strittig war, wie steuerliche Freibeträge dabei behandelt werden. Das Gericht hat nun festgestellt, dass der Grundfreibetrag, die Freibeträge für Kranken- und Pflegeversicherung und für Werbungskosten außen vor bleiben müssen. Der Grundfreibetrag diene der Absicherung des Existenzminimums und dürfe nicht noch ein zweites Mal als steuerfreier Rentenbezug herangezogen werden, entschieden die Finanzrichter. „Unsere Antwort lautet nein“, sagte die Senatsvorsitzende Förster zu dieser Frage. Das Gericht entschied auch, dass bei privaten Kapitalanlageprodukten, bei denen nur der Ertragsanteil besteuert wird, auch die Hinterbliebenenrente steuerfrei bezogen werden kann.