Frankreichs Minderheitsregierung setzt wenig Initiativen

Frankreichs Regierung angeschlagen

Unklare Mehrheitsverhältnisse lähmen Frankreichs Nationalversammlung seit den Neuwahlen. Die Regierung wirkt geschwächt, das Verhältnis zwischen Premierminister Bayrou und Präsident Macron ist angespannt.

Frankreichs Regierung angeschlagen

Frankreichs Regierung angeschlagen

Unklare Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung – 1 Jahr nach den Neuwahlen

wü Paris
von Gesche Wüpper

Ein Jahr nach den überraschend angesetzten Neuwahlen wirkt das französische Parlament so instabil wie nie zuvor. Nicht nur innerhalb der Minderheitsregierung treten immer mehr Spannungen zu Tage. Auch das Verhältnis zwischen dem innenpolitisch geschwächten Präsidenten und seinem Premierminister gilt zunehmend als belastet. Statt Gesetzesentwürfe zu prüfen und auf den Weg zu bringen, scheinen Misstrauensanträge und Beschimpfungen den Alltag der Abgeordneten der Nationalversammlung zu bestimmen.

„Es gab teilweise ein unbeschreibliches Chaos“, gab die Vorsitzende der Assemblée, Yaël Braun-Pivet, kürzlich bei einer Pressekonferenz zum Ende des parlamentarischen Sitzungsjahres zu. Denn seit den Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli letzten Jahres ist die Nationalversammlung in ungefähr drei gleich große Blöcke gespalten: Die Linke inklusive der Abgeordneten von La France Insoumise am äußersten Rand, die Mitte, die auch die Regierung stellt, und das rechtsextreme Lager vom Rassemblement National (RN). Im Gegensatz zu Deutschland ist Frankreich keine Koalitionen gewöhnt.

Haushaltsentwurf wird zur Prüfung

Nach Angaben Braun-Pivets ist es den Abgeordneten dennoch gelungen, 47 Gesetze zu verabschieden. Es handele sich um Minigesetze, die das Land aber nicht voranbringen würden, kritisiert der Vorsitzende der sozialistischen Abgeordneten Boris Vallaud. Zahlreiche Reformen seien aufgeschoben oder weichgespült worden, monieren Beobachter. Die Regierung selbst bringe kaum Texte ein, sondern stütze sich auf Vorschläge der Abgeordneten. Angesichts der Schwäche der Nationalversammlung spiele der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, eine immer entscheidendere Rolle.

Die nächste große Prüfung für die Regierung von Premierminister François Bayrou steht mit dem Haushaltsgesetz an. Bayrou will nächste Woche ein Positionspapier mit den groben Leitlinien präsentieren, wie er das hohe Defizit von zuletzt 5,8% weiter senken will. Den endgültigen Haushaltsentwurf wird er dann nach der Sommerpause im September vorlegen. Die Regierung seines Vorgängers Michel Barnier war im Dezember 2024 über einen Misstrauensantrag im Zusammenhang mit dem Haushaltsentwurf gestürzt.

Hälfte der Franzosen für Neuwahlen

Angesichts der fragmentierten Mehrheitsverhältnisse hat sich die Hälfte der Teilnehmer in einer Umfrage von Ifop-Fiducial dafür ausgesprochen, dass Präsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung in den kommenden Monaten erneut auflösen sollte, um wieder Neuwahlen durchzuführen. Das kann er jetzt tun, da inzwischen ein Jahr seit den letzten Parlamentswahlen vergangen ist. Allerdings hat Macron bereits durchblicken lassen, dass er das nicht tun möchte.

Während Bayrou und Macron in Beliebtheitsumfragen schlecht abschneiden, ist Jordan Bardella vom rechtsextremen RN in einer von Elabe für „Les Echos“ durchgeführten Umfrage erstmals zum Politiker mit dem besten Image gewählt worden. Dabei gilt der RN im Parlament trotz vieler Abgeordneter als isoliert.

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