NOTIERT IN PARIS

Gefragte Zusammensetzung

Essen wie Gott in Frankreich? Immerhin ist die französische Küche seit bald zehn Jahren offiziell als Weltkulturerbe anerkannt. Die Cuisine française sei in Frankreich die gebräuchliche Art, die "wichtigsten Momente im Leben zu feiern", begründete...

Gefragte Zusammensetzung

Essen wie Gott in Frankreich? Immerhin ist die französische Küche seit bald zehn Jahren offiziell als Weltkulturerbe anerkannt. Die Cuisine française sei in Frankreich die gebräuchliche Art, die “wichtigsten Momente im Leben zu feiern”, begründete die Weltkulturorganisation Unesco seinerzeit ihre Entscheidung. Gute, frische Zutaten sind deshalb für viele Franzosen unerlässlich. Dennoch haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch in Frankreich Fertiggerichte immer mehr durchgesetzt.Doch inzwischen hat wieder ein Umdenken eingesetzt. Zu verdanken ist das Julie Chapon sowie François und Benoît Martin, drei jungen Freunden, die Anfang 2017 die Applikation Yuka auf den Markt gebracht haben. Mit ihrer Hilfe können Verbraucher im Supermarkt die Barcodes von Lebensmitteln mit Smartphones scannen und so eine Analyse der Inhaltsstoffe nach gesundheits- und ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten erhalten. Yuka gehört zu den erfolgreichsten Applikationen, die in den vergangenen Jahren in Frankreich an den Start gegangen sind.Ende Oktober kam die Applikation auf 12 Millionen Nutzer. Dabei hatten die drei Gründer sich ursprünglich lediglich das Ziel gesetzt, innerhalb des ersten Jahres auf 10 000 bis 20 000 Kunden zu kommen. Sein Geld verdient das junge Start-up-Unternehmen mit mittlerweile elf Angestellten jedoch nicht mit der kostenlosen Applikation, sondern mit Hilfe von kostenpflichtigen Ernährungsprogrammen. Viele Kunden unterstützen Yuka auch mit freiwilligen Spenden, und inzwischen gibt es auch eine kostenpflichtige Premiumversion sowie eine Anwendung für Kosmetikprodukte.Der Erfolg, der die Yuka-Gründer mit dem größten Stolz erfüllt, ist jedoch ein anderer. Denn inzwischen reagieren Marken, wenn ihre Produkte rot gekennzeichnet sind, etwa weil sie zu viel Salz oder zu viel Fett enthalten. So hat die Supermarktkette Intermarché angekündigt, sie werde die Rezepte ihrer unter einer Eigenmarke vertriebenen Produkte überarbeiten, die auf Yuka schlecht benotet sind. Denn die schlechte Note spiegelt sich durchaus in den Verkaufszahlen wider, hat sie festgestellt. *Hätte es Yuka schon viele Jahre früher gegeben, wäre vielleicht ein anderes Thema mit Skandalpotenzial viel früher ans Licht gekommen. Denn viele Lebensmittel hatten und haben in den französischen Übersee-Départements und -Gebieten einen viel höheren Zuckergehalt als auf dem französischen Festland in Europa. “Als Fanta Orange erstmals auf Guadeloupe verkauft wurde, hatte sie 40 % mehr Zuckergehalt als in Frankreich. Einige Joghurts hatten einen um 35 % höheren Zuckergehalt”, sagt André Atallah, der im Krankenhaus von Basse-Terre auf Guadeloupe die Kardiologiestation leitet. Ein 2013 verabschiedetes Gesetz sollte Abhilfe schaffen, doch nach Ansicht des Arztes haben noch immer zu viele Lebensmittel einen zu hohen Zuckergehalt.Das bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit der Bewohner der Übersee-Départements und -Gebiete. Laut einer gerade von einem Forscherkollektiv veröffentlichten Studie leidet dort ein größerer Teil der Bevölkerung unter Übergewicht, Diabetes oder erhöhtem Blutdruck. Mediziner, Ernährungswissenschaftler, Soziologen und Ökonomen warnen in der Studie vor den Folgen des ungleichen Zugangs. So sind Lebensmittel dort im Schnitt 20 % bis 30 % teurer als in Frankreich, während die Löhne geringer sind.Dass 80 % bis 90 % der Lebensmittel, die in den Übersee-Départements verkauft werden, vom französischen Festland in Europa stammen, ist einer der Gründe für höhere Preise. Ein anderer ist die relativ geringe Konkurrenz im Einzelhandel, der sich deshalb herausnimmt, hohe Margen auf die Einkaufspreise aufzuschlagen. Das Forscherkollektiv empfiehlt nun, die Preise für gesunde Nahrungsmittel in den Übersee-Départements zu senken und dort stärker lokal zu produzieren, vor allem Gemüse und Obst. Auf Guadeloupe und Martinique wird das jedoch schwierig, weil die Böden für Jahrhunderte mit Chlordecon verseucht sind – einem Pestizid, das dort auf Bananenplantagen immer noch eingesetzt wurde, als es in Europa längst verboten war.