Lohnwachstum verlangsamt sich

London verschiebt Daten zur Arbeitslosigkeit

Das Statistikamt ONS hat die Veröffentlichung der Arbeitslosenquote um eine Woche verschoben. Das wirft Fragen zur Qualität der Daten auf. Das Wachstum der Löhne inklusive Sonderzahlungen hat sich in den drei Monaten per Ende August erstmals seit Februar verlangsamt.

London verschiebt Daten zur Arbeitslosigkeit

London verschiebt Arbeitsmarktdaten

Zweifel an der Aussagekraft der Arbeitslosenstatistik wachsen – Lohnwachstum verliert deutlich an Schwung

hip London

Das britische Statistikamt ONS hat die Veröffentlichung zentraler Arbeitsmarktdaten wie der Arbeitslosenquote kurzfristig um eine Woche verschoben. „Weil wir Vertrauen in die Zahlen haben wollen, die wir herausgeben“, zitiert die „Financial Times“ Darren Morgan, der bei der Behörde die Erstellung und Analyse von Wirtschaftsstatistiken verantwortet. Die Arbeitsmarkt-Daten spielen für die geldpolitischen Entscheidungen der Bank of England eine wesentliche Rolle.

„Bestmögliche Schätzungen“

Offenbar hat man Zweifel an den Ergebnissen der „Labour Force Survey“, einer Umfrage, auf die sie sich stützen. Vor einem Jahrzehnt waren noch mehr als die Hälfte der Haushalte bereit, sie zu beantworten, Ende 2019 waren es bereits weniger als 40%. Zuletzt waren es nicht einmal mehr 15%. „Es ist offiziell: Wir wissen nicht, wie viele Leute arbeitslos sind“, schrieb der „Spectator“-Datenexperte Michael Simmons. Beim ONS bemühe man sich nun darum, bis zum avisierten Veröffentlichungstermin „die bestmöglichen Schätzungen zu produzieren“.

Versteckte Arbeitslosigkeit

Wie das Magazin schon im März offenlegte, gehen in Großbritannien mehr als fünf Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter keiner Tätigkeit nach und erhalten Sozialleistungen (Out-of-Work Benefits). In Großstädten wie Manchester oder Glasgow ist es ein Fünftel der erwerbsfähigen Bevölkerung. Doch nur 1,2 Millionen galten offiziell als arbeitslos.

Zu Lohnentwicklung konnten sich die Statistiker des ONS aber schon äußern. Die durchschnittlichen Lohneinkommen seien in den drei Monaten per Ende August nominal um 7,8% (Vormonat: 7,9%) gestiegen. Das entsprach dem Schnitt der Schätzungen von Volkswirten. Inklusive Sonderzahlungen belief sich das Einkommenswachstum im Schnitt auf 8,1%. Im Juli hatte es noch bei 8,5% gelegen. Ökonomen hatten im Schnitt 8,3% auf der Rechnung. Das reale Lohnwachstum lag inklusive Sonderzahlungen bei 1,3%, ohne bei 1,1%.

Sonderzahlungen für NHS-Mitarbeiter

Die Daten wurden von erheblichen Einmalzahlungen für die Beschäftigten des National Health Service (NHS) und Mitarbeiter des öffentlichen Diensts geprägt. Inklusive Sonderzahlungen verdienten sie 12,5% mehr. Ohne Sonderzahlungen belief sich ihr Verdienstwachstum auf 6,8% – so viel wie noch nie seit Beginn der Erhebungen 2001. In der Privatwirtschaft lag das Lohnwachstum inklusive Boni bei 7,1%, ohne bei 8,0%.

Geldpolitische Falken werden begrüßen, dass das Lohnwachstum etwas unter den erwarteten Werten geblieben ist. Es ist das erste Mal seit Februar, dass die Zahlen im Vergleich zum Vormonat zurückgegangen sind.

James Sproule, Handelsbanken

„Geldpolitische Falken werden begrüßen, dass das Lohnwachstum etwas unter den erwarteten Werten geblieben ist“, sagte James Sproule, Chefvolkswirt für Großbritannien bei Handelsbanken. „Es ist das erste Mal seit Februar, dass die Zahlen im Vergleich zum Vormonat zurückgegangen sind.“ Am Markt dürfte dies aus seiner Sicht als weiterer Hinweis darauf aufgenommen werden, „dass Großbritannien den Zinsgipfel erreicht hat“.

Schwung lässt deutlich nach

Die Barclays-Volkswirte Abbas Khan und Jack Meaning werteten die Daten als Hinweis darauf, dass die Bank of England den Leitzins auf absehbare Zeit auf dem aktuellen Niveau von 5,25% belassen wird. Das monatliche Lohnwachstum in der Privatwirtschaft sei nun drei Monate in Folge vergleichsweise schwach ausgefallen. Nach den starken Anstiegen von Februar bis Mai, die zum Teil auf die Erhöhung des Mindestlohns zurückzuführen sind, habe der Schwung spürbar nachgelassen.

Man rechne mit einer schnellen Entschleunigung. Ende des Jahres könnte es nur noch 7% betragen, Mitte kommenden Jahres nur noch 5%. Am 2. November steht wieder eine Zinsentscheidung der Notenbank an.

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