EU-Taxonomie

Herzstück des Green Deal

In der EU ist ein Streit darüber ausgebrochen, wie die Taxonomie-Regeln weiter ausgestaltet werden sollen. Können Investitionen in Gaskraftwerke auch heute noch als nachhaltig gelten? Die EU-Kommission will nächste Woche entscheiden.

Herzstück des Green Deal

Wenn die EU-Kommission einen delegierten Rechtsakt vorlegt, nimmt die Öffentlichkeit meist wenig Notiz davon. Bei der für kommende Woche geplanten weiteren Ausgestaltung der Taxonomie-Regulierung ist dies anders. Seit Tagen steht die Brüsseler Behörde bereits inmitten einer öffentlichen Auseinandersetzung von Abgeordneten, Wissenschaftlern und Industrie-Lobbygruppen von verschiedenen Seiten. Verständlich, denn es geht in dem Rechtsakt um die Frage, welche Branchen beziehungsweise wirtschaftliche Tätigkeiten künftig noch als nachhaltig gelten können. Und diese Entscheidung wird dazu führen, viele Milliarden an Investitionsgeldern in den nächsten Jahren in bestimmte Richtungen zu lenken.

Das Sustainable-Finance-Programm der EU, über das das Finanzsystem nachhaltiger ausgerichtet werden soll, gilt als unverzichtbar für den europäischen Green Deal, der bis 2050 zur Klimaneutralität des Kontinents führen soll. Und Herzstück des Programms ist ein glaubwürdiges Klassifizierungssystem für grüne Anlagen. Wenn bei dieser Taxonomie zu viele Kompromisse gemacht werden, hat dies weitreichende Auswirkungen für die gesamte künftige Umwelt- und Klimapolitik. Denn ob es um ein neues Label für Green Bonds geht, das im Juni erwartet wird, oder um die Einstufung von grünen Projekten im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds – immer wird der Maßstab die Taxonomie sein.

Die EU-Kommission, so befürchten es Kritiker unter Verweis auf vorab bekannt gewordene Entwürfe, will in dem nun anstehenden delegierten Rechtsakt ihre bisherigen Einstufungen in einigen Punkten offenbar aufweichen. So soll auf Druck aus Skandinavien etwa die gesamte Forstwirtschaft als nachhaltig eingestuft werden. Das Gleiche könnte zur Freude (nicht nur) in Osteuropa auch für Gaskraftwerke gelten, wenn auch zeitlich befristet und unter bestimmten Bedingungen. Dabei ist offensichtlich, dass etwa der Bau neuer fossiler Kraftwerke klimapolitische Auswirkungen für Jahrzehnte hat oder milliardenschwere Investitionsruinen nach sich ziehen kann.

Die EU-Kommission sollte bei ihrer anstehenden Ausgestaltung der Taxonomie-Regeln auf ihre wissenschaftlichen Berater hören und ehrgeizige Ziele setzen, um nicht den Green Deal zu unterminieren. Nebenbei könnte Brüssel dann gleich globale Standards setzen. Sowohl von den USA als auch von Ländern wie China oder Japan, die ebenfalls an Standards interessiert sind, werden die Vorgaben aus Europa zurzeit ganz genau beäugt.

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