Unternehmensstimmung so gut wie seit Kriegsbeginn nicht mehr
Unternehmen schieben einige Sorgen zur Seite
Ifo-Geschäftsklima legt sechstes Mal in Folge zu – Erneut höhere Erwartungen – Lageurteil fällt schlechter aus – Bundesbank rechnet mit Wachstum
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft startet gut gelaunt ins zweite Quartal – nachdem sie im ersten Quartal gewachsen sein dürfte, wie der Bundesbank Monatsbericht April andeutet. Die Details der Ifo-Geschäftsklimaumfrage zeigen aber, dass trotz des sechsten Anstiegs des Frühbarometers in Folge nicht alles eitel Sonnenschein ist.
Die deutsche Wirtschaft zeigt sich zu Beginn des zweiten Quartals so gut gelaunt wie zuletzt vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Dass der Ifo-Geschäftsklimaindex im April zum sechsten Mal in Folge zugelegt hat, stützt das derzeitige Konjunkturbild: Die Wirtschaft ist besser als befürchtet über den Winter gekommen, zum Startabschnitt dürfte ein schales Wachstum herausspringen. Über den Berg ist die Konjunktur aber weiterhin nicht. Und der immer noch nicht vollendet Zinserhöhungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der US-Notenbank Fed dürfte erst im weiteren Jahresverlauf seine Wirkung in der Breite der Wirtschaft entfalten. Einen nachhaltigen Aufschwung der hiesigen Wirtschaft erwarten Ökonomen daher nicht, wie die zurückhaltende Kommentierung zeigt.
Laut dem Ifo-Institut ist das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaft im April um 0,4 auf 93,6 Punkte gestiegen. Ökonomen hatten ein schmaleres Plus auf 93,4 Zähler auf der Rechnung. Die Stimmungsaufhellung beruht allein auf den verbesserten Erwartungen der monatlich rund 9.000 befragten Firmenlenkern, denn die aktuelle Lage beurteilten sie schlechter als im Vormonat (siehe Grafik). „Die Sorgen der deutschen Unternehmen lassen nach, aber der Konjunktur fehlt es an Dynamik“, resümierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Immerhin sei ein Übergreifen des durch die Turbulenzen um die Credit Suisse und die Pleite der Silicon Valley Bank ausgelösten Bankenbebens auf die Realwirtschaft ausgeblieben, ergänzte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Das Bankenbeben hat keine Auswirkungen auf die Stimmung in den Unternehmen“, sagte Wohlrabe. „Ansteckungseffekte sind ausgeblieben.“ Die Sorgenfalten würden zwar weniger, „zum Optimismus ist es allerdings noch ein gutes Stück“. Zeitweise war der Ausbruch einer erneuten globalen Finanzkrise befürchtet worden.

Kapazitäten gut ausgelastet
„In Deutschland folgte einer ersten Zinserhöhung mit einer Verzögerung von durchschnittlich fünf Quartalen stets eine Rezession“, mahnt etwa Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. So werde die Luft beim verarbeitenden Gewerbe dünner, „wo sich das Geschäftsklima kaum noch verbessert hat und die Stimmung laut anderen Umfragen bereits sinkt.“ Der geldpolitische Straffungskurs, der in den USA seinen Ausgang genommen hatte, dürfte auch zu dem Stimmungsumschwung geführt haben, der seit drei Monaten im Einkaufsmanagerindex zu sehen ist. Fuest zufolge soll die Produktion in den kommenden Monaten aber noch ausgeweitet werden: „Die Kapazitätsauslastung stieg von 84,3 auf 84,5% und liegt damit oberhalb des langfristigen Mittelwerts von 83,6%“, erklärte Fuest. Für Zuversicht sorgen die dicken Auftragspolster und die nachlassenden Materialengpässe.

Sorgenkind bleibt der Bau, dem gestiegene Zins- und Materialkosten zu schaffen machen. „Der Bau durchlebt schwierige Zeiten, die Stimmung ist schon sehr schlecht“, sagte Wohlrabe. Dazu würden auch Stornierungen beitragen. Viele Projekte rentieren sich derzeit für Bauherren nicht, weshalb viele Vorhaben auf Eis gelegt oder gleich ganz abgesagt werden. Das Geschäftsklima im Bau ist zwar gestiegen, doch fiel der Lageindikator auf den niedrigsten Wert seit Dezember 2015.
Im Dienstleistungssektor wiederum endete laut den Münchner Wirtschaftsforschern die Aufwärtsbewegung des Geschäftsklimas der letzten Monate. Die aktuelle Lage wurde etwas schlechter beurteilt und der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate habe erstmals wieder zugenommen. Im Handel, der unter dem schwachen Verbrauchervertrauen leidet, ist das Geschäftsklima leicht gefallen. Wegen der schwachen Absatzentwicklung hielten sich viele Einzelhändler bei der Bestellung von Waren weiter zurück, stellten die Ifo-Forscher fest. Bei den inflationsbedingten Kaufkraftverlusten der Verbraucher ist noch kein Ende absehbar: „Die jüngsten Tarifabschlüsse, wie der vom vergangenen Wochenende im öffentlichen Sektor, werden den Kaufkraftverlust zwar ausgleichen, aber nur teilweise und nur allmählich”, erwartet etwa ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Der Einzelhandelsverband HDE warnte, dass in diesem Jahr voraussichtlich 9.000 Geschäfte schließen würden – in den Vorkrisenjahren 2015 bis 2019 waren es jährlich 5.000 Läden, in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 waren es 11.000 pro Jahr.
Industrie bringt Schwung
„Alles in allem zeichnet die April-Erhebung des Ifo-Geschäftsklimas das Bild einer mit Risiken behafteten, zögerlichen Konjunkturerholung”, resümiert Deka-Ökonom Andreas Scheuerle. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sieht den Einstieg in das Frühlingsquartal als „konjunkturell gelungen” an – im Gesamtjahr 2023 könne die Wirtschaft zwar „eine Schrumpfung vielleicht vermeiden, doch auch bei günstigerer Entwicklung käme sie vermutlich nur wenig über Stagnation hinaus.“ Das erste Quartal zumindest dürfte doch nicht so schlecht gelaufen sein: „Die deutsche Wirtschaft schlug sich besser als noch vor einem Monat erwartet und erhöhte ihre Aktivität vermutlich wieder etwas, schreiben die die Ökonomen der Bundesbank im Monatsbericht April. Die Industrie habe sich stärker als angenommen erholt. „Die wieder niedrigeren Energiepreise stützten unmittelbar die energieintensive Produktion, die Lieferengpässe bei Vorprodukten lösten sich weiter auf, und die Nachfrage zog wieder merklich an.” Dem Baugewerbe dürfte die milde Witterung im Januar und Februar geholfen haben. Am Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt (Destatis) eine erste Schnellmeldung für die Entwicklung in den drei Monaten bis März. Ökonomen erwarten ein Plus von 0,2%. Nachdem Ende 2022 die Wirtschaft um 0,4% geschrumpft war, hatte sich die Sorge vor einer technischen Rezession, also zwei aufeinanderfolgenden, rückläufigen Quartalen breit gemacht. Zuletzt haben sich die Aussichten aber wieder aufgehellt, insbesondere nachdem die befürchtete Gasmangellage über den Winter ausgeblieben war.