Ifo-Geschäftsklima auf Vierjahrestief
Dank der Staatsausgaben und Investitionen ist die deutsche Wirtschaft Ende 2018 an der technischen Rezession vorbeigeschrammt. Aussicht auf rasche Besserung gibt es aber nicht, wie aktuell der auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gerutschte Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt.ba Frankfurt – Die seit August vergangenen Jahres andauernde Stimmungseintrübung in den deutschen Chefetagen hat sich – sogar unerwartet stark – auch im Februar fortgesetzt. Das jüngste Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9 000 Unternehmen aus verarbeitendem Gewerbe, Handel, Bauhauptgewerbe und dem Dienstleistungssektor steht damit im Gegensatz zur zunehmenden Zuversicht gemessen an den ZEW-Konjunkturerwartungen sowie dem Einkaufsmanagerindex (vgl. BZ vom 20. bzw. 22. Februar).Der saisonbereinigte Ifo-Geschäftsklimaindex ist überraschend kräftig um 0,8 auf 98,5 Punkte und damit den niedrigsten Stand seit Dezember 2014 gefallen. Ökonomen hatten zwar den sechsten Rückgang in Folge erwartet, allerdings nur auf einen Wert von 98,9 Zählern. Zu dem Minus hat insbesondere die schwächere Bewertung der aktuellen Lage beigetragen, aber auch bei der Erwartungskomponente ging es weiter abwärts. “Der Pessimismus schleicht sich in die deutsche Wirtschaft”, sagte Ifo-Experten Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Die Stimmungseintrübung zog sich mit Ausnahme des Einzelhandels durch alle Branchen. Auffallend findet Wohlrabe dabei, dass die Konjunktur-Einschätzungen seit Mitte vergangenen Jahres immer weiter auseinanderklafften: “Die Branchenentwicklung ist sehr heterogen.” Während es etwa in der Elektronikbranche weiter aufwärtsgehe, gehe es im Maschinenbau abwärts, in der Chemie sogar besonders stark.Insbesondere das stark exportorientierte verarbeitende Gewerbe schwächelt seit geraumer Zeit. Das entsprechende Ifo-Barometer ist seit August 2018 im Sinkflug, im Februar ging es um weitere 2,3 auf 9,0 Punkte abwärts. Für Unruhe bei den Industrieunternehmen sorgen neben dem rückläufigen Welthandel, der schwächelnden chinesischen Konjunktur und der immer noch nicht ganz kompensierten Probleme bei der Umstellung auf das strengere Kfz-Abgasprüfverfahren WLTP die derzeitigen politischen Unsicherheitsfaktoren. “Inzwischen türmen sich die anfänglich kleineren Wellen der Verunsicherung zu einer großen Woge auf und belasten spürbar die Unternehmensstimmung”, umschreibt Andreas Scheuerle von der DekaBank die Auswirkungen des zunehmend wahrscheinlicher werdenden harten Brexit, dem US-chinesischen Handelskonflikt sowie der Empfehlung des US-Handelsministeriums, US-Zölle auf europäische Automobilimporte zu verhängen. Diese Strafzölle “würden bis zum Mark der deutschen Wirtschaft vordringen”, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Fahrzeuge sind seit 2010 Deutschlands wichtigste Exportgüter. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) belief sich hier 2018 der Exportüberschuss auf 112,7 Mrd. Euro. Größter Abnehmer waren dabei mit 27,2 Mrd. Euro die USA.Gesamtwirtschaftlich gesehen können bislang die Dienstleister noch die Probleme der Industrie kompensieren. Bedenklich stimmt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer allerdings, “dass sich das Geschäftsklima für die Dienstleistungsbranche nicht mehr unter Schwankungen seitwärts bewegt, sondern in den letzten Monaten deutlich gefallen ist”. Im Februar ging es um 3,7 auf 21,1 Punkte nach unten. “Das weckt Zweifel an der Binnenwirtschaft als Fels in der Brandung”, so Krämer. Inland sorgt für WachstumDie Wachstumsimpulse im vierten Quartal 2018 kamen aber gerade aus dem Inland. Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt auf dem Niveau des Vorquartals stagnierte (siehe Grafik), liegt vor allem an den deutlich höheren Investitionen in Bauten (+1,3 %) und Ausrüstungen (+0,7 %) sowie den Staatsausgaben (+1,6 %). Die privaten Konsumausgaben kletterten um +0,2 %. Von der Außenwirtschaft kamen hingegen keine Wachstumsimpulse.Auch in den am Freitag veröffentlichten BIP-Details zeigen sich die Probleme der Autoindustrie: Für Stefan Mütze von der Helaba stellt sich die BIP-Entwicklung “gar nicht so dramatisch dar”, da im Schlussabschnitt die zuvor aufgebauten Lagerbestände wieder abgebaut wurden, was das Wachstum um 0,6 Punkte gedrückt hat. Auch die Exporte sind von den WLTP-Effekten belastet – Ökonomen setzen aber darauf, dass die Nachholeffekte in den ersten beiden Quartalen 2019 durchschlagen. Oder wie Carsten Brzeski, Chefökonom der ING Deutschland formuliert: “Oft wird gesagt, dass sich viele Deutsche von schnellen Autos ablenken lassen – diesmal legen die Autos die gesamte Wirtschaft auf Eis.”Mit dem Nullwachstum im vierten Quartal ist die Gefahr einer technischen Rezession – zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit auch nur leicht negativen Wachstumsraten – aber noch nicht gebannt. Krämer verweist darauf, dass die Rückgänge des Ifo-Barometers und der Auftragseingänge mittlerweile ähnlich ausgeprägt sind “wie vor einigen Rezessionen der zurückliegenden vierzig Jahre”, etwa während der Staatsschuldenkrise oder nach dem Platzen der Aktienmarktblase im Jahr 2000. Er beziffert die Rezessionswahrscheinlichkeit auf 24 %, Andreas Rees von der Unicredit veranschlagt sie mit 40 %. Am Freitag reihte sich die KfW ein in die Reihen derer, die jüngst ihre Prognosen für 2019 kräftig nach unten geschraubt haben – sie erwartet nun ebenso wie das Ifo ein Plus von 0,8 %, zuvor waren es 1,6 %. 2018 legte das BIP 1,4 % zu.