Ifo-Index signalisiert Rezession

Barometer sackt auf niedrigsten Stand seit Finanzkrise ab - Fuest: Wirtschaft steht unter Schock

Ifo-Index signalisiert Rezession

Die Corona-Pandemie erschüttert deutsche Chefetagen noch stärker als zunächst gemeldet. Der Stimmungseinbruch, gemessen am Ifo-Geschäftsklimaindex für März, war so ausgeprägt wie nie im wiedervereinigten Deutschland und sendet damit ein weiteres Rezessionssignal.ba Frankfurt – Zum Ende des ersten Quartals ist das Geschäftsklima in Deutschland wegen der Corona-Pandemie und der ergriffenen Schutzmaßnahmen so kräftig eingebrochen wie noch nie im wiedervereinten Deutschland. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im März um 9,9 auf 86,1 Punkte gesackt – dies ist nicht nur der niedrigste Stand seit Juli 2009 zur Hochzeit der globalen Finanzkrise, sondern liegt auch noch unter dem in der vergangenen Woche gemeldeten vorläufigen Wert von 87,7 Zählern. “Die deutsche Wirtschaft steht unter Schock”, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage des Münchner Instituts unter 9 000 Managern.Ökonomen werten das Umfrageergebnis, das sich nahtlos einreiht in die herben Rückschläge des Einkaufsmanagerindex, der ZEW-Konjunkturerwartungen und des Sentix-Konjunkturindex, als weiteres klares Rezessionssignal. “Es ist davon auszugehen, dass es mindestens zwei Quartale lang eine schwere Rezession geben wird”, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Das Bruttoinlandsprodukt könne zwischen 5 und 20 % einbrechen, je nach Länge des “Shutdowns”. Für Carsten Brzeski, Chefökonom von ING Deutschland, ist Rezession sowieso “nicht ganz das richtige Wort für den fast vollständigen Stillstand kompletter Volkswirtschaften, der so plötzlich gekommen ist”. Er erwartet, dass die Konjunkturdaten für März und darüber hinaus “fürchterlich werden, möglicherweise noch schrecklicher als schrecklich”. Rätselraten um U, V oder LDie volle Wucht der staatlichen Schutz- und Abwehrmaßnahmen werde erst in den April-Daten ablesbar sein, schätzt Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe. Hinsichtlich der Tiefe des Konjunkturtals werde vorerst Stochern im Nebel angesagt bleiben, denn im Unterschied zur Lage nach der Lehman-Insolvenz im Winterhalbjahr 2008/2009 sei nun der Konsum von Waren und Dienstleistungen stark eingeschränkt. Angesichts des hohen Anteils des privaten Verbrauchs von 53 % der Wirtschaftsleistung werde dies sofort zu einer hohen Wachstumsbeeinträchtigung führen, so Krüger. Zudem sei nicht sicher, ob die Zahl der Neuinfektionen bis zur Jahresmitte ausreichend gefallen sei, um die Beschränkungen für die Wirtschaft dann wieder aufheben zu können, mahnt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. In diesem Risikoszenario “würde der Konjunkturverlauf nicht einem V, sondern zunächst einem L ähneln, was sicher Diskussionen über die angemessene Strategie im Kampf gegen Corona auslösen würde”.Den endgültigen Ifo-Zahlen zufolge sind die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate im Vergleich zum Februar viel stärker gefallen (- 13,4 auf 79,7 Punkte) als das Barometer der aktuellen Geschäftslage (- 6,0 auf 93,0). Insbesondere im Dienstleistungssektor, der bislang stabilisierend gewirkt hat, ist das Geschäftsklima abgerutscht – um 25,0 auf – 7,6 Zähler. Die Münchner Wirtschaftsforscher vermelden hier den stärksten Einbruch seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2005. Aber auch beim verarbeitenden Gewerbe, das ohnehin seit langem unter den Brexit-Wirren und den von den USA ausgehenden Handelsstreitigkeiten leidet, ging es bergab. “Mit Blick auf 70 Jahre Umfragen in der Industrie” sei der Rückgang um 16,6 auf – 18,2 Punkte “historisch einmalig”, sagte Ifo-Chef Fuest. Der Index sei in allen Industriezweigen gefallen, teils recht deutlich. Viele Unternehmen hätten Produktionskürzungen angekündigt. Auch kämpfe die Industrie mit einem Logistikproblem, so Ifo-Experte Wohlrabe: “Selbst wenn die Nachfrage da ist: Die Industrie bekommt Waren logistisch derzeit oft nicht in die Länder, in die sie sollen.” Die Exporterwartungen seien “regelrecht abgestürzt”. Auch im Handel ist der Geschäftsklimaindex eingebrochen (um 22,4 auf – 21,4 Zähler). Ausnahme sind Wohlrabe zufolge allerdings der Lebensmitteleinzelhandel und die Drogeriemärkte.