Ifo-Klima wieder im Rückwärtsgang

Barometer sinkt überraschend auf 99,2 Zähler - Industriestimmung trübt sich weiter ein

Ifo-Klima wieder im Rückwärtsgang

Nach einem kurzen Zwischenhoch hat sich die Stimmungseintrübung in den deutschen Chefetagen im April fortgesetzt. Am Gesamtbild hat sich nichts geändert: Die Industrie leidet unter der schwachen Auslandsnachfrage, während die Binnenwirtschaft rund läuft.ba Frankfurt – Vor allem die schwächelnde Industrie hat den Hauch Frühling, den das Ifo-Geschäftsklima im März verbreitet hat, wieder zunichtegemacht. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im April unerwartet um 0,5 auf 99,2 Punkte gefallen, wozu sowohl ein Rückgang der Erwartungs- als auch der Lagekomponente beigetragen hat (siehe Grafik). Ökonomen hatten hingegen mit einem Plus auf 99,9 Zähler gerechnet, nachdem der wichtigste Frühindikator für die hiesige Wirtschaft im März erstmals nach sechs Rückgängen in Folge überraschend gestiegen war. Dies ändert aber nichts an ihrem Bild, dass es zu keiner Rezession kommt, sondern die Wirtschaft weiter – wenn auch wenig dynamisch – wächst.”Die deutsche Wirtschaft verliert weiter an Kraft”, kommentierte denn auch Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9 000 Unternehmen aus verarbeitendem Gewerbe, Handel, Bauhauptgewerbe und Dienstleistungssektor. Der leichte Optimismus vom März mit Blick auf die kommenden Monate sei wieder verflogen. “Die Geschäftsklima-Zahlen deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum geringer ausfällt als in der Gemeinschaftsdiagnose prognostiziert”, präzisierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben erst Anfang April ihre Wachstumsprognose für 2019 von 1,9 % auf 0,8 % gekappt (vgl. BZ vom 5. April). Damit sind sie weniger pessimistisch als das Ifo-Institut, das mit 0,6 % rechnet, sowie die Bundesregierung, die ein Plus von 0,5 % auf dem Zettel hat (vgl. BZ vom 18. April). Dienstleister legen zuDer Blick auf die Details der gestern veröffentlichten Ifo-Daten zeigt die anhaltende Zweiteilung der deutschen Wirtschaft: Während die Industrie schwächelt, präsentieren sich die Dienstleister robust. So hat sich das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe laut Ifo-Institut “erneut merklich verschlechtert” und im Handel “etwas nachgegeben”. Bei den Dienstleistern und im Bauhauptgewerbe hingegen ist der Geschäftsklimaindex gestiegen. “Jedoch wachsen die Zweifel, ob die Hochkonjunktur am Bau andauern wird”, schränkte Fuest ein. “Die exportstarke Industrie steckt in der Rezession, die Binnenwirtschaft hält jedoch dagegen und sorgt dafür, dass das Wachstum nicht ganz zum Stillstand kommt”, fasst Klaus Borger von der KfW zusammen. “Kurz: Abschwung ja, Rezession nein.” Der größten Euro-Volkswirtschaft machen insbesondere die von US-Präsident Donald Trump ausgehenden Handelskonflikte, die Sorge vor einem harten Brexit sowie die schwächelnde Weltkonjunktur zu schaffen.”Dass die Brexit-Entscheidung vertagt wurde, hat zumindest nicht geholfen”, sagte Wohlrabe: “Die Unsicherheit ist zwar leicht zurückgegangen, aber noch immer sehr hoch.” Die Entscheidung der EU, Großbritannien eine Fristverlängerung bis 31. Oktober zu gewähren, fiel kurz nach Beginn der aktuellen Geschäftsklima-Umfrage.Unter Ökonomen gilt es mit Blick auf die konjunkturstimulierenden Maßnahmen der Regierung in Peking sowie der solide laufenden US-Wirtschaft als ausgemachte Sache, dass es im zweiten Halbjahr wieder besser wird: “Es würde nicht mit rechten Dingen zugehen, würde Deutschland im weiteren Jahresverlauf nicht davon profitieren”, kommentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Sorgen bereiten ihm allerdings die schwachen Auftragseingänge, unter denen die Produktion und in weiterer Folge die Beschäftigung leide. Stefan Kipar von der BayernLB verweist aber auf die anhaltend hohen Auftragsbestände und die Kapazitätsauslastung, die “langsam in Richtung Normalauslastung” sinke. Im April ist die Kapazitätsauslastung laut Ifo-Institut um 0,8 Punkte auf 85,4 % zurückgegangen – der langfristige Durchschnitt liegt bei 83,7 %. Zudem setzt Kipar auf eine baldige Einigung im US-chinesischen Handelsstreit.—– Wertberichtigt Seite 8