NOTIERT IN BERLIN

Im Dienste der Gerechtigkeit

"Schattenwirtschaft? Dagegen haben wir was", prangte es den Berlinern beim morgendlichen Weg zur Arbeit auf dem Heimweg entgegen. Die Anzeigenkampagne des Bundesfinanzministeriums machte auf weiteren Motiven auch deutlich, dass der zuständige...

Im Dienste der Gerechtigkeit

“Schattenwirtschaft? Dagegen haben wir was”, prangte es den Berlinern beim morgendlichen Weg zur Arbeit auf dem Heimweg entgegen. Die Anzeigenkampagne des Bundesfinanzministeriums machte auf weiteren Motiven auch deutlich, dass der zuständige Minister und Vizekanzler, Olaf Scholz (SPD), etwas gegen illegale Beschäftigung und gegen Billiglohn hat. Dem rückte er mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch zu Leibe. Unter anderem wurde der – dem Bundesfinanzministerium zugeordnete – Zoll finanziell besser ausgestattet, um das Netz von Kontrollen enger zu ziehen und sozialrechtliche Verstöße aufzudecken.Für die SPD steht die Gesetzesnovelle unter der Überschrift “mehr Ordnung und Fairness” – in diesem Fall am Arbeitsmarkt. Getreu dem Motto “Tue Gutes und rede darüber” unterlegte das Finanzressort der Bundesregierung sein Wirken mit einer Kampagne aus Anzeigen in Printmedien, Online-Publikationen und Postern sowie sogenannten Out-of-Home-Infoscreens – und griff dafür tief in die Tasche. Präzise 931 727,28 Euro ließ sich Scholz diese Werbung in eigener Sache kosten. Dies hat der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand auf eine parlamentarische Anfrage hin aus dem Bundesfinanzministerium erfahren. Herbrand zeigte sich überrascht über die Größenordnung, in der der Staat “Steuergelder verpulvert”. Die Relation von monetärem Input und öffentlichkeitswirksamem Output stellte der liberal Politiker zumindest in Frage. *Bei einer anderen Kampagne im Juni waren die Kosten deutlich niedriger, der Ärger aus anderem Grund aber größer. Für 204 159,10 Euro schaltete das Ministerium nach Informationen der FDP aus dem Bundesfinanzministerium einmalig Printanzeigen zur Reform der Grundsteuer. Unter der Überschrift “Aus guten Gründen – die neue Grundsteuer” erfuhr der geneigte Leser, dass die Steuer nur “gerechter” werde, da sie künftig auf der Grundlage “realer Werte” basiere. Darüber echauffierte sich der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach, unter anderem Vize-Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Gerechtigkeit werde postuliert, Sozialneid sei gemeint, kritisierte Michelbach. Eigentümer und Mieter müssten ungeachtet ihrer persönlichen finanziellen Verhältnisse mehr zahlen, weil die Immobilie in einem Gebiet steigender Preise liege. Die Kampagne hatte zudem einen kleinen, aber gewichtigen Schönheitsfehler: Das Gesetz war zum Zeitpunkt des Erscheinens noch gar nicht verabschiedet. Die Öffnungsklausel lässt den Ländern nun die Option, auch ohne “reale Werte” die Steuer zu berechnen.Geradezu günstig nimmt sich mit 94 491,47 Euro der Betrag aus, den das Ministerium seit 2017 für Werbemittel aus Anlässen wie dem Tag der offenen Tür der Bundesregierung, dem Jubiläum der Deutschen Einheit oder für Konferenzen ausgegeben hat. Dafür gab es Kugelschreiber, Tassen, Taschen, Blöcke oder Süßwaren – und dies alles ganz ohne Hinweis auf Gesetze.