Wohnraum

IMK hält weniger als 200.000 Wohnungsneubauten für möglich

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hält einen Rückgang der Wohnungsneubauten auf unter 200.000 für möglich. Dadurch könnte Wohnraum noch knapper werden.

IMK hält weniger als 200.000 Wohnungsneubauten für möglich

Weniger als 200.000 Wohnungsneubauten möglich

IMK-Studie warnt vor Verlust von Kapazitäten in der Branche – Erneut deutlich weniger Baugenehmigungen

ba Frankfurt

Wegen der hohen Zinsen und Baukosten könnte der Wohnungsbau in diesem und im kommenden Jahr drastisch einbrechen. Laut einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung könnte die Zahl der neu fertiggestellten Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern auf nur noch 177.000 im Jahr 2024 sinken. Das wäre fast wieder der historische Tiefststand von 2009 und weiter unter dem von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen. Das IMK empfiehlt daher, die Ausgaben für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu erhöhen und die Strukturen für eine schnellere Umsetzung zu stärken. “So ließe sich Risiken begegnen, dass sich die Wohnungsknappheit noch weiter zuspitzt und die Kapazitäten der Bauwirtschaft dauerhaft zurückgefahren werden”, hieß es beim IMK.

Wurden 2022 noch 295.000 Wohnungen fertiggestellt, könnten es in diesem Jahr nur mehr schätzungsweise 223.000 sein. Der mögliche Einbruch bei den Fertigstellungen würde laut IMK einem Rückgang der realen Wohnungsbauinvestitionen um knapp 21 Mrd. Euro in diesem und gut 16 Mrd. Euro im kommenden Jahr entsprechen. Doch selbst wenn die Entwicklung etwas besser ausfiele als in der Risikoabschätzung, würde das immer noch drastische Rückgänge bedeuten, die die Baubranche über Jahre lähmen könnten, warnen die Studienautoren Carolin Martin, Thomas Theobald und Lukas Jonas: “Es besteht die Gefahr eines Kapazitätsabbaus, der auch mittelfristig dafür sorgt, dass das verfügbare Angebot weit hinter dem Bedarf zurückbleiben wird.”

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Wie trübe die Aussichten sind, zeigen die im Mai erneut stark gesunkenen Wohnungsbaugenehmigungen: Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) wurde der Bau von 23.500 Wohnungen genehmigt, das sind 25,9% oder 8.200 Baugenehmigungen weniger als im Vorjahr. Allerdings hat sich das Tempo verlangsamt, denn im April fiel die Zahl neu genehmigter Wohnungen um 31,9% im Vorjahresvergleich, im März waren es –29,6%. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 113.400 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt, das waren 27,0% weniger als von Januar bis Mai vergangenen Jahres mit 155.300. “Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben”, erklärten die Statistiker. Das Ifo-Institut macht zudem die “drastisch zurückgefahrene Neubauförderung” sowie die “Anfang 2023 abermals verschärften Standards für den Neubau” als Ursache für den Rückgang aus. Die Münchener Wirtschaftsforscher sind allerdings in ihrer Prognose etwas zuversichtlicher als das IMK: So dürften 2023 rund 245.000, 2024 dann 210.000 und 2025 nur noch rund 175.000 Wohnungen in neuen Wohngebäuden fertiggestellt werden.

Inflation ist kein Argument

Um den absehbaren Einbruch der privaten Bauinvestitionen zumindest teilweise auszugleichen, plädieren die IMK-Forscher für eine spürbare weitere Aufstockung der öffentlichen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau: “Damit könnte nicht nur ein Absturz der Baubranche verhindert, sondern auch der Anteil günstigerer und energieeffizienter Wohnungen gesteigert werden.” Diese seien zuletzt von privaten Bauträgern wegen zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zu selten gebaut worden. Sorge, dass das verstärkte Engagement der öffentlichen Hand die Baupreise und indirekt auch die Inflation anzuheizen könnte, hat das IMK nicht. Zumal die Mieten wegen zu geringer Neubauten weiter anziehen und dadurch die Inflation gleichfalls befeuern könnten.  

Konkret könne laut IMK “insbesondere eine Aufstockung und Ausweitung von existierenden KfW-Programmen für den sozialen Wohnungsbau helfen, die durch steigende Zinsen verursachten Kosten abzufedern und so Bauprojekte zu ermöglichen”. Eine weitere Förderoption bestehe bei der Erbpacht. Mittelfristig sinnvoll sei der Aufbau neuer öffentlicher Einrichtungen, die den Bau bezahlbaren Wohnraums fördern, wie etwa eine bundesweit agierende Beratungsgesellschaft oder ein Bodenfonds, der die Kommunen dabei unterstützen kann, das öffentliche Eigentum an Grund und Boden auszuweiten. Oder ein Beteiligungsfonds, der sich als Minderheitsgesellschafter an öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften beteiligen und so deren Eigenkapitalbasis stärken kann.

Ein “mutiges Umdenken” der politischen Entscheider auf allen Ebenen mahnt auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) an. „Ausgerechnet in Zeiten, in denen wir dringendst ein Mehr an Wohnraum brauchen, gibt es einen Abwärtstrend – das darf nicht schulterzuckend verbucht werden“, erklärte ZIA-Präsident Andreas Mattner. „Auch die Länder und Kommunen müssen sich dem jetzt kraftvoll entgegenstellen.“ Es dürfe keine weitere Regulierung geben und vorhandene Einschränkungen auf ein Normalmaß zurückgeführt werden. Es gehe um ein „Zurückdrängen der Staatsquote von 37%“, die mit Steuern, Auflagen und Abgaben beim Gut Wohnen anfielen, erklärte der Präsident des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft. Die wichtigsten Forderungen des ZIA sind ein temporäres Aussetzen der Grunderwerbsteuer auch für Investoren und ein großvolumiges „KfW-Kreditprogramm Wohnen“. Zudem sollten 30% des erforderlichen Zubaus einer Stadt verpflichtend für serielles und modulares Bauen ausgewiesen werden, um einen schnellen Bau-Schub zu erreichen. 

Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) wiederum hält vor allem zwei Dinge für notwendig, um eine Trendwende im Wohnungsbau einzuleiten: “Sowohl Häuslebauer als auch Investoren in der Wohnungsbaubranche brauchen eine deutliche Zinsstützung und im Mietwohnungsbau eine entsprechende, attraktive staatliche Förderung. Zudem sollte die energetische Förderbedingung EH-40 zumindest temporär ausgesetzt werden”, erklärte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Denn offenkundig reichten die Neubauförderprogramme nicht aus, um die entsprechende Nachfrage zu stimulieren. Der maximale Kreditrahmen im klimafreundlichen Neubau sei zu gering und die Zugangsbedingungen zu restriktiv, damit Bauwillige investierten. Aber auch die Kosten- und Zinssprünge und ein zu einseitiger Förderfokus auf die Sanierung hätten den Abwärtstrend im Neubaubereich befördert. Angesichts der weiter abrutschenden Baugenehmigungen – einem Indikator für zukünftige Aufträge – sei ein “massiver Einbruch bei den privaten Bauinvestitionen absehbar, der sich im Wohnungsbau auftut und herbe Markteinschnitte immer wahrscheinlicher macht”, mahnte der ZDB.

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