NOTIERT IN BRÜSSEL

In den Ardennen

Die Ardennen haben im Laufe der letzten Jahre schon so manchen EU-Beamten, Diplomaten und Journalisten aus Brüssel zur Verzweiflung getrieben, wenn im belgischen Bummelzug nach Luxemburg zum nächsten Ministerrat, zum Europäischen Gerichtshof oder zu...

In den Ardennen

Die Ardennen haben im Laufe der letzten Jahre schon so manchen EU-Beamten, Diplomaten und Journalisten aus Brüssel zur Verzweiflung getrieben, wenn im belgischen Bummelzug nach Luxemburg zum nächsten Ministerrat, zum Europäischen Gerichtshof oder zu einer der dort ansässigen Finanzinstitutionen wieder einmal Internet- und Handyverbindungen ausgefallen sind und der Kontakt zur Außenwelt damit abgebrochen ist. Ansonsten gilt das Mittelgebirge in den Reiseführern aber als touristisches Highlight im südlichen Belgien. Es gibt ausgedehnte Wander- und Radwege. In einigen Gegenden sieht es ein wenig aus wie im Schwarzwald. Und im Sommer, wenn auch die vielen Häuschen mit dem grauen heimischen Schiefergestein weniger bedrückend, sondern eher pittoresk aussehen, sind vor allem die Kajak-Touren im Ourthe-Tal äußerst beliebt. *Dass die Ardennen aber auch noch eine andere Geschichte zu erzählen haben, merkt der Besucher spätestens dann, wenn er auf der Straßenkreuzung vor seinem Hotel oder auf dem Marktplatz zahlreicher Dörfer noch die alten Panzer sieht. Eigentlich kennt man das ja eher aus der ehemaligen Sowjetunion: Der angeblich erste Panzer der Roten Armee, der zur Befreiung von den deutschen Besatzern damals in die Stadt gerollt ist, wurde als Mahnmal und vor allem als ein Symbol des Sieges auf ein Podest gehoben. In den Ardennen ist es britisches und amerikanisches Kriegsgerät, das auch heute noch einen prominenten Platz im öffentlichen Raum findet. *Es sind Erinnerungsstücke an die berühmt-berüchtigte Ardennen-Offensive, dem letzten Aufbäumen Hitler-Deutschlands Ende 1944, bei dem noch einmal 200 000 Soldaten und 600 Panzer mobilisiert wurden, um die Alliierten wieder aus Belgien zu vertreiben und sie von ihren Nachschubwegen in Antwerpen abzuschneiden. Das Ende ist bekannt: Innerhalb nur eines Monats gab es weit mehr als 150 000 Tote. Für die Amerikaner war es die blutigste Schlacht im ganzen Zweiten Weltkrieg: Sie verloren in diesen Winterwochen rund 87 000 Mann. Die erfolgreiche Verteidigung des Städtchens Bastogne, das vielen Deutschen heute eher durch den Radfahrklassiker “Lüttich-Bastogne-Lüttich” bekannt ist, durch US-Soldaten wurde in der Nachkriegszeit in etlichen Hollywood-Streifen nachgespielt (“The Battle of the Bulge”). *Während aktuell in vielen belgischen Städten wie zuletzt in Brügge, Antwerpen oder auch Brüssel der Befreiung durch die Alliierten vor 75 Jahren gedacht wird, bereitet man sich in den Ardennen schon seit Wochen intensiv auf den 75. Jahrestag der Ardennen-Offensive im Dezember vor. Belgische Medien spekulierten bereits, dass auch US-Präsident Donald Trump nach Bastogne kommen könnte, da er in dieser Zeit ohnehin einen Nato-Gipfel in London besucht. Eine Bestätigung steht noch aus. Das amerikanische Mardasson-Denkmal in Bastogne wird zurzeit auf jeden Fall restauriert – ein Projekt, das die US-amerikanische Regierung vollständig finanziert. *Das Gedenken an die grausamen Wochen wird in den Ardennen aber so oder so weiter hochgehalten. Und das Interesse daran ist auch weit über die Region hinaus groß: Das “Bastogne War Museum”, das direkt neben dem Mardasson-Denkmal errichtet wurde, ist zum Beispiel ein Publikumsmagnet. Wenn an einem Feiertag einmal wieder der Parkplatz voll ist, sieht man viele Autos mit Nummernschildern auch aus Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland und vereinzelt aus Großbritannien. Irgendwie sind die Ardennen damit auch heute noch ein großes Mahnmal gegen den Krieg und indirekt sicherlich ein weiteres Plädoyer für das Friedensprojekt EU. Die fehlenden Handyverbindungen tun da eigentlich nichts zur Sache – auch wenn das die Beamten, Diplomaten und Journalisten in den Bummelzügen nach Luxemburg kaum interessiert.