In der Stadt des Lichts wird es dunkel
Beobachten, wie sich die Immobilienpreise entwickeln, gehört mit zu den Lieblingsbeschäftigungen der Franzosen. Denn sie investieren mit Vorliebe in Stein, wie man in Frankreich zu sagen pflegt. Seit der strengen Ausgangssperre im vergangenen Frühjahr, als man sein Zuhause nur in Ausnahmefällen mit einem Passierschein verlassen durfte, zieht es die Einwohner von Paris nun noch stärker als ohnehin aufs Land. Viele träumen inzwischen davon, in den einst als spießig verpönten Neubausiedlungen der weiter entfernten Vororte ein kleines Häuschen mit Garten zu haben. Wieder andere entscheiden sich gleich ganz für ein Wochenendhaus auf dem Lande, von dem aus sie notfalls auch während einer Ausgangssperre arbeiten können.
All das wirkt sich nun auf die Entwicklung der Immobilienpreise aus. Basierend auf bereits unterzeichneten Vorverträgen gehen die Notare davon aus, dass der Quadratmeterpreis in Paris zwischen November 2020 und Februar um 1,4% sinken wird. Die auf Immobilienschätzungen spezialisierte Plattform Meilleurs Agents wiederum hat einen Rückgang der Preise um 0,1% innerhalb der vergangenen zwölf Monate festgestellt. Nachdem sie im Februar vergangenen Jahres noch 10500 Euro pro Quadratmeter betragen hätten, seien sie inzwischen auf 10350 Euro gesunken, heißt es in ihrem jüngsten Preisbarometer. Normalerweise entwickeln sich die Preise in den Vororten so wie in der Hauptstadt. Dieses Mal ist dies jedoch nicht der Fall. So sind sie in den nah an Paris gelegenen Vororten innerhalb von einem Jahr um 2,5% auf 5417 Euro gestiegen und in den weiter entfernten Orten des sogenannten großen Kranzes um 2,7% auf 3259 Euro.
Die Coronavirus-Krise könnte die Attraktivität von Paris aus Sicht potenzieller Käufer verändert haben, meinen die Experten von Meilleurs Agents. Wer im Homeoffice arbeiten muss, hat lieber etwas mehr Platz und wünscht sich zusätzlich eine Terrasse oder einen Balkon. Mit dem brachliegenden kulturellen Leben, den geschlossenen Bars und Restaurants und dem reduzierten Nahverkehrsangebot sei zudem das unmittelbare Interesse, innerhalb der von der Stadtautobahn begrenzten 20 Arrondissements von Paris zu wohnen, im Vergleich zu früher gesunken, heißt es in dem Immobilienbarometer.
Abends ausgehen kann man schon lange nicht mehr, und seit die nächtliche Sperrstunde in ganz Frankreich schon ab 18 Uhr und bis 6 Uhr morgens gilt, darf man abends noch nicht mal mehr ohne triftigen Grund und Passierschein auf die Straße gehen. Seit die Cafés und Restaurants Ende Oktober wieder schließen mussten, ist es dort ohnehin deutlich dunkler geworden – und das ausgerechnet in der Stadt des Lichts. Dort gehen nun angesichts der Sperrstunde auch in den Privatwohnungen deutlich früher als sonst die Lichter aus.
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All das bekommt auch die Champagnerbranche zu spüren. 2020 sei ein schwarzes Jahr für sie gewesen, sagt Jean-Marie Barillère, der Vorsitzende des Verbandes der Champagnerhäuser. Letztendlich seien die Ergebnisse aber nicht ganz so schlimm ausgefallen wie noch im ersten Halbjahr befürchtet. Damals war der Branchenverband davon ausgegangen, dass die Verkäufe im Gesamtjahr vom Volumen her um 30% einbrechen dürften. Stattdessen sind sie „nur“ um 18% auf 245 Millionen Flaschen zurückgegangen. Der Umsatz wiederum dürfte um 1 Mrd. Euro auf rund 4 Mrd. Euro gesunken sein, schätzt das Comité Champagne.
Zu verdanken hat die Branche die Schadensbegrenzung den Exportmärkten, wo die Verkäufe um 16% nachgaben, während sie in Frankreich um 20% zurückgingen. Während Exporte nach Australien sogar um 14% zulegten, konnte die Branche den Rückgang in traditionellen europäischen Märkten wie Belgien, Deutschland und der Schweiz begrenzen. Dennoch bleiben die Franzosen selber die größten Champagnerkonsumenten der Welt. Trotz Coronakrise und Ausgangssperren kauften sie vergangenes Jahr 114 Millionen Flaschen des Edel-Schaumweins. Das entspricht 312328 Flaschen Champagner pro Tag und aufs Jahr gerechnet einem Verkauf von fast zwei Flaschen pro Einwohner.