In Portugal deutet sich ein Machtwechsel an
In Portugal deutet sich ein Machtwechsel an
Konservative liegen in Umfragen vorne – Kandidat Montenegro will mit Steuersenkungen Wirtschaft ankurbeln
ths Madrid
In Portugal finden am Sonntag zum zweiten Mal in nur zwei Jahren vorgezogene Parlamentswahlen statt. Im Januar 2022 ging das Kalkül für den sozialistischen Ministerpräsidenten António Costa auf, der die Parlamentsauflösung bewirkte, nachdem seine linken Bündnispartner den Haushalt gekippt hatten. Die PS holte eine absolute Mehrheit. Doch ein Korruptionsskandal wegen der Vergabe von Energieprojekten im Umfeld des Regierungschefs bewegte Costa im November dazu, seinen Rücktritt zu verkünden. Die Ermittlungen laufen noch.
Am Sonntag droht den Sozialisten der Machtverlust. In den jüngsten Umfragen liegt das konservative Bündnis Aliança Democrática (AD) mit dem Spitzenkandidaten Luís Montenegro vor der PS, mit durchschnittlich knapp 32% gegenüber fast 28%. Das Rennen ist noch offen, doch deuten die Umfragen auf komplizierte Mehrheitsverhältnisse hin. Sollten die Sozialisten mit ihrem Kandidaten Pedro Nuno Santos am Ende doch vorne liegen, dürfte es für ein Bündnis mit den Parteien links der PS kaum reichen.
Montenegro könnte mit der rechtspopulistischen Chega und der liberalen IL regieren. Doch der Konservative hat ein Abkommen mit den Rechten ausgeschlossen. Chega liegt in den Umfragen bei 17% der Zustimmung. Die Partei zielt auf den Unmut gegenüber der klassischen Politik, sozialen Werten und der Einwanderung ab, ist anders als die meisten rechtspopulistischen Parteien anderswo jedoch nicht klar europafeindlich.
Nicht alle im konservativen Lager unterstützen die Brandmauer von Montenegro gegenüber Chega. Der frühere Ministerpräsident Pedro Passos Coelho sprach sich während der Kampagne für eine Zusammenarbeit mit den Populisten aus. Die Auftritte von Passos Coelho dienten der PS und Nuno Santos als Steilvorlage, um die Erinnerung an den Rettungsschirm unter dem konservativen Regierungschef vor zehn Jahren zu wecken. Unter der in Portugal verhassten Troika wurden radikale Kürzungen vollzogen, die etwa der Internationale Währungsfonds in der Nachbetrachtung für unangebracht hielt.
Costa kam 2015 an die Macht und drehte einige der Einschnitte zurück, etwa bei den Gehältern für Staatsbedienstete. Den Sozialisten gelang eine überraschende Haushaltskonsolidierung, dank des Wirtschaftsbooms, der zum Teil auf dem Tourismus und der enormen internationalen Nachfrage nach Immobilien in dem kleinen Land basierte. Das Staatsdefizit wurde trotz der Pandemie bis 2022 auf 0,3% zurückgefahren. Die Schulden liegen wieder unter 100% und das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2023 um 2,3%.
Montenegro will aber das Wirtschaftsmodell grundlegend ändern und die lahmende Produktivität anheben. „Dieses Land leidet unter maximalen Steuern, während es seinen Bürgern minimale öffentliche Dienstleistungen bietet“, erklärte der AD-Kandidat. Die Konservativen planen Steuersenkungen für Einkommen und Unternehmen in Höhe von 5 Mrd. Euro. Dennoch sollen die Renten steigen, wie auch der gesetzliche Mindestlohn, der unter den Sozialisten von 505 Euro pro Monat auf 820 Euro angehoben wurde.
Nuno Santos stellt das Wirtschaftsprogramm der Konservativen infrage. „Man kann die Armut nicht mit steuerpolitischen Abenteuern bekämpfen. In der Praxis bedeutet das, die Bettdecke für die Reichen höher zu ziehen, sodass sie die Füße der großen Mehrheit der Menschen frei lässt“, wetterte der Kandidat der PS im Wahlkampf. Der frühere Bauminister im Kabinett Costa, der wegen Staatshilfen für die Fluglinie TAP zurücktrat, erkennt die Probleme der staatlichen Versorgung an und verspricht mehr Geld für Bildung und das Gesundheitswesen.
Für Costa endet eine achtjährige Amtszeit, doch möglicherweise noch nicht seine politische Laufbahn. Er wird als Kandidat für die Nachfolge des Belgiers Charles Michel als Präsident des Europäischen Rats gehandelt. Um Chancen zu haben, müssten die portugiesischen Ermittler ihn jedoch bald von jeglicher Verwicklung in den Korruptionsskandal befreien.