Industrie kritisiert "Schlingerkurs" in der Pandemie

BDI warnt vor hartem Lockdown und mahnt Verlässlichkeit ein - Mittelstand fordert schnell wirksame Hilfe

Industrie kritisiert "Schlingerkurs" in der Pandemie

sp Berlin – Die Aussicht auf eine neuerliche Verschärfung der Coronamaßnahmen noch vor Weihnachten und auf einen harten Lockdown im Anschluss an das Weihnachtsfest ist bei Vertretern der Industrie und des Mittelstandes auf Kritik gestoßen. “Die deutsche Wirtschaft braucht in der Coronakrise endlich einen roten Faden für mehr Verlässlichkeit”, forderte Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), in einer ersten Reaktion auf den neuerlichen Kurswechsel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie laut dpa-afx. Der BDI-Chef hatte schon nach den bislang letzten Bund-Länder-Beschlüssen zur Bekämpfung der Pandemie einen Mangel an Perspektive für größere Planungssicherheit festgestellt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sprach am Mittwoch von der Coronakrise als einer existenziellen Gefährdung vieler Mittelständler und forderte neben schnell wirksamen Hilfen auch Strukturreformen etwa im Steuerrecht. Zusätzlichen Belastungen erteilte der ZDH eine Absage. “Auf die Last, die unsere Betriebe jetzt pandemiebedingt zusätzlich tragen müssen, da darf nichts mehr draufgepackt werden”, stellte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer klar.Beim BDI stört man sich vor allem an den kurzfristigen Tempowechseln in der Coronapolitik. “Nur mit einer mittelfristigen Perspektive wird die Politik ein wiederholtes Auf und Ab vermeiden”, sagte Kempf. Der “Stop-and-go-Kurs” von Bund und Ländern bei den Coronaregeln schade nicht nur der Wirtschaft, sondern drohe auch die Stimmung in der Gesellschaft zu trüben.Ein “hartes Runterfahren” sei nicht immer die beste Lösung, sagte der BDI-Chef zu einem harten Lockdown, der zumindest für die Tage nach Weihnachten bis zum 10. Januar immer wahrscheinlicher wird. Es sei vielmehr entscheidend, dass die politisch Verantwortlichen bei unterschiedlichen Infektionsgeschehen auch unterschiedlich reagierten. Die Politik müsse aufpassen, in der Pandemiebekämpfung ihren Kompass nicht zu verlieren. “Auf Sicht zu fahren ist eine schlechte Entschuldigung für einen Schlingerkurs”, mahnte Kempf. Bürgerinnen und Bürger müssten sich ebenso wie Unternehmen darauf einstellen können, welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn das Infektionsgeschehen zu- oder abnimmt. “Nachvollziehbarkeit und Planbarkeit schaffen Akzeptanz”, betonte der BDI-Präsident.Kempf sprach sich deshalb für dezentrale Reaktionsmöglichkeiten aus. “Ich wünsche mir von Bund und Ländern einen größeren Werkzeugkasten, den sie zentral festlegen.” Dazu gehörten Impfung, Tests, Hygienemaßnahmen und wirtschaftliche Unterstützung. “Welche Module Gemeinden, Kreise und Länder herausziehen, müssen sie je nach Schwere der Infektion vor Ort entscheiden, damit die Betriebe auch in schwierigen Lagen weiterlaufen können.” In jedem Fall müsse alles dafür getan werden, dass die Wertschöpfung der Industrie weitergehe. Unterschiedliche BetroffenheitZDH-Chef Wollseifer warnte, dass die Finanzpolster, die manche Unternehmen über Jahre aufgebaut hätten, in kürzester Zeit zusammengeschmolzen seien. Für viele Betriebe gehe es daher um die Existenz. Die Lage in den verschiedenen Branchen sei unterschiedlich. So sei das Gastgewerbe in die größte Krise der Nachkriegszeit gestürzt. Im Einzelhandel sei die Lage aber extrem unterschiedlich. Im Groß- und Außenhandel hätten sich die Unternehmen nur langsam von den Einbrüchen während des ersten Lockdown erholt. Dem industriellen Mittelstand machten die Reisebeschränkungen und Störungen der Wertschöpfungsketten zu schaffen. Im Handwerk spürten Bauhaupt- und Ausbaugewerbe bisher nur in geringerem Ausmaß die Folgen der Pandemie.