Verbraucherpreise

Inflation in der Eurozone lässt nur etwas nach

Die Inflation in der Eurozone sinkt im Juli auf 5,3%. Doch die Dynamik beim Rückgang der Teuerungsrate verliert an Fahrt. Im kommenden Jahr droht sogar wieder ein Anstieg.

Inflation in der Eurozone lässt nur etwas nach

Der Trend der sinkenden Inflationsrate in der Eurozone setzt sich fort, verliert jedoch weiter an Dynamik. Die Verbraucherpreise legten im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,3% zu, wie das Statistikamt Eurostat am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Juni hatte der Anstieg noch 5,5% betragen.

Die Kerninflation, die als besserer Gradmesser für den langfristigen Trend bei der Teuerung gilt, da hier die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise außen vor bleiben, ist nach der Erstschätzung im Juli überhaupt nicht gesunken. Sie blieb stabil bei 5,5% und deutet drauf hin, dass die Inflation in der Eurozone noch über einen längeren Zeitraum oberhalb des Zwei-Prozent-Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen könnte.

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Haupttreiber für die aktuell sinkende Inflationsrate waren im Juli die nachlassenden Energiepreise. Diese sanken im Vergleich zum Vorjahresmonat um 6,1%. Lebensmittel verteuerten sich weniger stark als in den Monaten zuvor. Mit einem Anstieg um 10,8% sind sie dennoch weiter maßgeblich daran beteiligt, dass das Inflationsziel der EZB noch in weiter Ferne liegt.

Uneinigkeit im EZB-Rat

Die EZB hatte vergangene Woche die Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Inflation ein weiteres Mal um 25 Basispunkte erhöht. Umstritten ist innerhalb des EZB-Rats, wie es nun weitergehen soll. Die Verfechter einer restriktiveren Geldpolitik im EZB-Rat, die „Falken“, können sich anhand der hartnäckigen Kerninflation eine weitere Zinserhöhung im Jahresverlauf gut vorstellen. Die Befürworter einer lockereren Geldpolitik, die „Tauben“, wollen hingegen lieber abwarten, wie sich die bereits erfolgten Zinserhöhungen auf die Inflation und die Realwirtschaft auswirken. Die Wirtschaft der Eurozone könnte im zweiten Quartal trotz der Stagnation in Deutschland leicht um 0,3% wachsen. Dies gab Eurostat ebenfalls am Montag bekannt.

„Den Tauben im EZB-Rat geben die heutigen Zahlen noch keine durchschlagenden Argumente für ein Ende der Zinserhöhungen“, sagte Ralph Solveen, stellvertretender Leiter des Economic Research bei der Commerzbank. Schließlich habe die Euro-Wirtschaft im zweiten Quartal im Rahmen ihres Potenzials zugelegt und es gebe aktuell keine Fortschritte bei der Entwicklung der Kerninflation. „Allerdings gehen wir davon aus, dass die Tauben in den kommenden Monaten bessere Argumente bekommen werden, da die Frühindikatoren weiter fallen und damit das Risiko einer neuerlichen Rezession im zweiten Halbjahr signalisieren werden.“

Trendwende 2024 wahrscheinlich

Die Einfuhrpreise nach Deutschland sind im Juni so kräftig gesunken wie seit der Finanzkrise nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Dies ist zusammen mit den kaum noch steigenden Erzeugerpreisen ein Indiz dafür, dass die Inflation in der größten Volkswirtschaft der Eurozone im zweiten Halbjahr weiter sinken dürfte. Auch für den Euroraum insgesamt dürfte die Teuerung abnehmen. „Mit ein wenig Glück könnte sie bis zum Jahresende auf das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank fallen“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Aber damit wäre das Inflationsproblem noch nicht gelöst.“

Krämer verweist darauf, dass die Preise für arbeitsintensive Dienstleistungen aufgrund der Lohnerhöhungen deutlich ansteigen dürften. Insbesondere im Norden der Währungsunion, wo die Arbeitskräfte knapp seien, dürfte es zu hohen Lohnsteigerungen kommen. Für die Eurozone rechnet Krämer im kommenden Jahr mit Lohnerhöhungen von über 5% im Dienstleistungssektor. „Deshalb dürfte die Inflation im Verlauf des kommenden Jahres wieder steigen, wenn die Normalisierung des Preisanstiegs bei Energie, Nahrungsmitteln und sonstigen Waren durch ist“, prognostiziert Krämer. „Die Teuerungsrate dürfte sich deutlich oberhalb des EZB-Ziels einpendeln.“

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bei der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid in der vergangenen Woche betont, dass die Währungshüter die Lohnentwicklung derzeit besonders in den Blick nehmen. Viele Ökonomen befürchten, dass Lohnsteigerungen die Inflation in den kommenden Monaten anheizen werden. „Die EZB darf sich auf eine weiter sinkende Inflationsrate nicht verlassen. Insbesondere seitens der Löhne kann es neue unschöne Überraschungen geben“, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Inflationsseitig bleibt das Zinserhöhungssignal gestellt.“

Euro-Inflation sinkt kaum

Verbraucherpreise steigen im Juli um 5,3 Prozent – Kernrate fällt nicht – Lohnentwicklung im Fokus

Die Inflation in der Eurozone sinkt im Juli auf 5,3%. Doch die Dynamik beim Rückgang der Teuerungsrate verliert weiter an Fahrt. Im kommenden Jahr droht sogar wieder ein Anstieg, warnen Ökonomen. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte vor allem die Lohnentwicklung in der Eurozone aufmerksam verfolgen.

mpi Frankfurt
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