IW Köln: Hohes Potenzial bei Teilzeitkräften zur Entlastung des Arbeitsmarkts
Hohes Potenzial bei Teilzeitkräften
IW Köln: Ausweitung der Arbeitszeiten kann Arbeitsmarkt deutlich entlasten
mpi Frankfurt
Bis 2030 dürften dem deutschen Arbeitsmarkt Millionen Beschäftigte fehlen. Während bis dahin rund 9 Millionen Menschen ihr Renteneintrittsalter erreicht haben, werden nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) nur 6 Millionen für sie auf dem Jobmarkt nachrücken. Neben Zuwanderung sieht das IW in der Ausweitung der Wochenarbeitszeiten Potenzial, um die durch den demografischen Wandel verursachte Lücke zu schließen oder zumindest zu verkleinern. „Dass wir mehr und länger arbeiten müssen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagte Holger Schäfer, Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim IW.
Dabei geht es für Schäfer nicht nur um eine längere Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte, sondern auch um eine Verlängerung der Arbeitszeit bei Teilzeit oder deren Überführung in Vollzeit. Ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet höchstens 30 Stunden in der Woche. Schäfer hat mehrere Bevölkerungsgruppen ausgemacht, bei denen er Potenzial für eine Verlängerung der Arbeitszeiten sieht. Die größte und wichtigste sind dabei Frauen – insbesondere Frauen mit Kindern. Nur 27% der Frauen mit Kindern unter 14 Jahren arbeiten länger als 30 Stunden in der Woche. Bei Männern sind es hingegen 79% und damit sogar ein größerer Anteil als bei Männern ohne Nachwuchs, wo nur zwei Drittel diese Wochenarbeitszeit überschreiten.
Offen sei jedoch, inwieweit die geringere Arbeitszeit bei Frauen mit Kindern freiwillig sei oder nicht. Studien hätten gezeigt, dass auch Frauen ohne Betreuungsverpflichtungen eine höhere Präferenz für Teilzeit aufweisen als Männer. Dennoch könne ein verbessertes staatliches Betreuungsangebot für Kinder dazu beitragen, dass sich mehr Eltern für längere Arbeitszeiten entscheiden.
Zwei andere Bevölkerungsgruppen, bei denen das Potenzial für den Arbeitsmarkt noch stärker in einer höheren Erwerbsquote als in längeren Arbeitszeiten liegt, sind Menschen mit geringen formalen Qualifikationen sowie Ältere. Knapp 40% der Menschen ohne berufliche Ausbildung haben keinen Job. Rund 49% von diesen beabsichtigen, „wahrscheinlich“ oder „ganz sicher“ in Zukunft wieder
erwerbstätig zu sein. Der Anteil ist auch deshalb vergleichsweise niedrig, da sich in dieser Gruppe auch Menschen befinden, die in (Früh-)Rente gegangen sind. „Auch Menschen ohne Jobs könnten
den Arbeitsmarkt bereichern, allerdings ist die Integration aufwendiger, hier bräuchte es Aus- und Weiterbildung“, sagte Schäfer.
MINT-Lücke wird größer
Neben dem Problem, dass die Zahl der Erwerbstätigen weiter abnimmt, bleibt der Fachkräftemangel eine große Herausforderung für Unternehmen. Wie das IW in einer weiteren Studie berechnet hat, fehlten der deutschen Wirtschaft im April 308.400 Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker. Das ist laut der zweimal im Jahr veröffentlichten Untersuchung einer der höchsten je gemessen Engpässe bei den sogenannten MINT-Berufen.
Alleine in den Energie- und Elektroberufen fehlten laut IW 88.600 Fachkräfte. In Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik (56.600) und in der IT (50.600) sind die Engpässe ebenfalls besonders hoch. „Die Mint-Lücke wäre heute noch dramatisch höher, wenn in den letzten zehn Jahren nicht erste Erfolge zur Mint-Fachkräftesicherung bei Frauen, Älteren und Zuwanderern erreicht worden wären“, sagte Axel Plünnecke, Leiter des Clusters Bildung, Innovation, Migration beim IW. Der Frauenanteil in diesen Berufen habe von 13,8% Ende 2012 auf zuletzt 16,0% zugenommen. Auch die Beschäftigung von Personen im Alter ab 63 Jahren sei in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen und habe damit zur Fachkräftesicherung beigetragen.
Der Mangel im MINT-Bereich droht dennoch in Zukunft größer zu werden. Zum einen macht sich auch hier bemerkbar, dass die geburtenstarken Jahrgänge demnächst in Rente gehen. Zum anderen dürfte der Bedarf an MINT-Fachkräften durch die Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung und Klimaschutz weiter steigen.
