Japans Wirtschaft drohen zwei Minusquartale

Höhere Umsatzsteuer und Folgen des Coronavirus könnten technische Rezession verursachen

Japans Wirtschaft drohen zwei Minusquartale

mf Tokio – Die Anhebung der Umsatzsteuer und ein verheerender Taifun im Oktober haben den stärksten Einbruch von Japans Wirtschaftsleistung seit fast sechs Jahren ausgelöst. Im Vierteljahr zwischen Oktober und Dezember schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 % zum Vorquartal und aufs Jahr hochgerechnet um 6,3 %. Dagegen hatten 34 japanische Ökonomen in einer Umfrage des Japan Center for Economic Research nur ein Minus von annualisiert 3,6 % vorhergesagt.Im laufenden Quartal drohen die Folgen des Coronavirus eine Rückkehr zum Wachstum zu verhindern. “Wir können diese Möglichkeit nicht ausschließen”, sagten Takeshi Yamaguchi und Hiromu Uezato vom Brokerhaus Morgan Stanley MUFG. Wegen der engen Verzahnung mit China trifft es viele Unternehmen hart, wenn dort die Produktion und der Konsum durch die Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der neuartigen Lungenkrankheit zurückgehen. Damit wird eine technische Rezession, also zwei negative Quartale in Folge, wahrscheinlicher.Immerhin hat die japanische Regierung bereits im Dezember ein massives Konjunkturpaket geschnürt, nachdem sich ein starker Einbruch des Privatkonsums durch die Steuererhöhung abgezeichnet hatte. Der Staat investiert insgesamt 13,2 Bill. Yen (110 Mrd. Euro), fast die gleiche Summe erhofft sich die Regierung durch Subventionen für private Ausgaben. Das Geld soll teils über einen Nachtragshaushalt fließen, der sich voraussichtlich ab März auf die Konjunktur auswirken wird. Der Rest liefe über den Staatshaushalt für das neue Fiskaljahr ab April. Veranstaltungen abgesagtDaher wird es einen weiteren Stimulus nach Ansicht von japanischen Ökonomen nur geben, falls Japan zum zweiten Epizentrum für die Coronavirus-Epidemie würde. Die Gefahr erscheint durchaus real. Mit 65 Fällen ist Japan hinter China das Land mit den meisten Infizierten, darunter neuerdings mehrere, die keinen Kontakt zu Chinesen hatten. Daher wurde am Montag die Teilnahme von 38 000 Amateurläufern am Tokioter Marathon am 1. März ebenso abgesagt wie die öffentliche Geburtstagsfeier von Kaiser Naruhito am kommenden Sonntag. Eine Verbreitung des Virus gefährdet auch die Austragung der Olympischen Sommerspiele, die Ende Juli beginnen sollen.Der BIP-Rückgang im Schlussquartal 2019 beruhte in erster Linie darauf, dass die Bürger ihren Konsum um 2,9 % zum Vorquartal verringerten. Dies führten Analysten auf die Erhöhung der Umsatzsteuer um zwei Punkte auf 10 % am 1. Oktober zurück. Als weitere Faktoren gelten der Taifun Hagibis, der den Großraum Tokio im Oktober mit fast einem Drittel der Einwohner für rund eine Woche lahmlegte, sowie das ungewöhnlich warme Winterwetter. Der Privatkonsum macht in Japan mehr als 60 % der Wirtschaftsleistung aus.Zudem fuhren die Unternehmen ihre Kapitalausgaben um 3,7 % herunter, nachdem sie Ausgaben wegen der höheren Steuer vorgezogen hatten. Außerdem hielten sie sich wohl wegen des Handelsstreits zwischen den USA und China zurück. Weiterhin stagnierte der Beitrag der Exporte zum Wirtschaftswachstum, während die Importe um 2,6 % zum Vorquartal sanken. Die öffentlichen Investitionen sorgten mit einem Plus von 1,1 % für den einzigen positiven Wachstumsimpuls im Quartal.Zwar hatte die japanische Regierung bereits im Vorfeld reagiert: Die höhere Steuer gilt nach deutschem Vorbild nicht für frische Lebensmittel und Produkte des Alltagsbedarfs, zugleich brauchen die Konsumenten die höhere Steuer bei bargeldloser Begleichung vorübergehend nicht zu zahlen. Doch die vielen finanzstarken Senioren in Japan kennen sich mit Zahlungen über Smartphone-Apps nicht aus oder misstrauen ihnen. Lieber zogen sie größere Anschaffungen kurzfristig vor. Dennoch erklärte ein hoher Beamter, die wirtschaftliche Erholung habe sich “moderat fortgesetzt”. Zugleich räumte er jedoch ein, der Ausbruch des Coronavirus habe das Gefühl der Unsicherheit verstärkt.