NOTIERT IN PARIS

Kaderschmiede mit Defizit

Kommt sie oder kommt sie nicht? Seit Gérard Collomb am 3. Oktober von seinem Amt als Innenminister zurückgetreten ist, stellen sich politische Beobachter in Frankreich so gut wie täglich die Frage, wann die erwartete Regierungsumbildung kommen wird....

Kaderschmiede mit Defizit

Kommt sie oder kommt sie nicht? Seit Gérard Collomb am 3. Oktober von seinem Amt als Innenminister zurückgetreten ist, stellen sich politische Beobachter in Frankreich so gut wie täglich die Frage, wann die erwartete Regierungsumbildung kommen wird. Präsident Emmanuel Macron ließ jedoch vergangene Woche wissen, dass er sich mit dem Umbau Zeit lassen will. Die durch sintflutartigen Regen ausgelösten Überschwemmungen in Südfrankreich, durch die im Département Aude mindestens zehn Menschen ums Leben kamen, dürften zu weiteren Verzögerungen führen.Premierminister Edouard Philippe reiste am Montagnachmittag ins Katastrophengebiet und Macron kündigte an, ihm dorthin so schnell wie möglich folgen zu wollen. Philippe leitet seit Collombs Rücktritt interimsmäßig auch das Innenministerium. In den Medien wird über eine große Umbildung seines Kabinetts spekuliert. Bildungsminister Jean-Michel Blanquer werde von vielen sowohl im Umfeld des Staats- als auch des Regierungschefs als idealer Kandidat für die Nachfolge Collombs gepriesen, berichtet “Le Monde”.Während die Anhänger des Präsidenten ein Loblied auf die Langsamkeit singen, ätzt die Opposition. Der Premierminister liefere sich seit fast zwei Wochen ein Tauziehen mit Macron, meint Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon. “Das ist das Zeichen einer fast totalen Schwächung des Staats.” Niemand habe mehr Lust, in der Regierung Macrons mitzumachen, höhnen Vertreter der Sozialisten.Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Budgetminister Gérald Darmanin hatten dagegen keine Zeit, sich an den Spekulationen über die Regierungsumbildung zu beteiligen. Denn sie mussten die Debatte über den Haushaltsentwurf 2019 vorbereiten, der am Montag in der Nationalversammlung begonnen hat. Die Opposition dürfte versuchen, dies als Gelegenheit zu nutzen, Macron erneut als “Präsidenten der Reichen” anzugreifen. Zuletzt standen er und die Regierung wegen der Wohnungssteuer in der Kritik. Denn eigentlich hatten sie versprochen, dass die Wohnungssteuer von diesem Jahr an für mehr als drei Viertel der Haushalte um 30 % sinken werde. Da jedoch einige Gebietskörperschaften beschlossen haben, die Wohnungssteuer zu erhöhen, fiel die versprochene Senkung für einige Steuerzahler aus.Le Maire und Darmanin müssen sich nun auch mit den Finanzen einer über die Landesgrenzen hinaus bekannten Institution beschäftigen. So sorgte am Wochenende die Meldung für Schlagzeilen, dass die Ecole nationale d’administration (ENA) tief in den roten Zahlen stecke. Die Kaderschmiede haben zahlreiche bekannte Politiker wie Präsident Macron und sein Vorgänger Hollande absolviert. Haushaltsminister Darmanin, im Gegensatz zu Wirtschaftsminister Le Maire kein ENA-Absolvent, hat den neuen Direktor der Hochschule eigenen Angaben zufolge bereits im Sommer letzten Jahres aufgefordert, ihm einen Sanierungsplan zu präsentieren.Wenn nichts unternommen werde, könnte die bekannte Kaderschmiede in vier Jahren pleitegehen , warnt der liberale Think-Tank iFrap, der die Konten der ENA unter die Lupe genommen hat. Laut Informationen von “Le Parisien” hat die Hochschule vergangenes Jahr ein Defizit von 2,8 Mill. Euro verbucht. Dazu hätten nicht eingezogene Einnahmen in Höhe von rund 1 Mill. Euro beigetragen, berichtet das Blatt. Sie würden nun in diesem Jahr kassiert.Die ENA leidet jedoch vor allem unter hohen Personalkosten von zuletzt 30,9 Mill. Euro, für die offenbar fast die gesamten Dotationen des Staates draufgehen. In den Personalkosten enthalten sind auch 9,2 Mill. Euro, die die Studenten als Vergütung erhalten. Denn sie werden als Praktikanten im Staatsdienst geführt und erhalten deshalb während ihrer zweijährigen Ausbildungszeit ein monatliches Bruttogehalt von je 1 700 Euro. Seit der Finanzkrise hat der Staat wohl die Dotationen für die ENA zurückgefahren.Die Hochschule zahlt zudem auch für gleich zwei Standorte, da sie nach ihrem Umzug nach Straßburg 2005 eine Zweigstelle in Paris behalten hat. Der vor wenigen Tagen vorgestellte, auf drei Jahre angelegte Sanierungsplan sieht vor, das Lehrpersonal und die Zahl der Studenten zu reduzieren.