Keine Macht für Niemand
ahe Brüssel – Die Verteilung der Spitzenämter wird in der EU zu einem immer größeren Problem. Sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch im neuen Europaparlament blockieren sich die Parteienfamilien und sind nicht bereit, auf den eigenen Kandidaten zugunsten eines Kompromisses zu verzichten.”Es gab keine Mehrheit für irgendeinen der Kandidaten”, stellte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Beratungen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel ernüchtert fest. Derzeit sei es noch “zu früh, um sich auf Namen und Posten festzulegen”. Tusk hatte in den vergangenen drei Wochen vergeblich versucht, mögliche Lösungsoptionen auch mit dem EU-Parlament auszuloten. Nun kündigte er für den 30. Juni einen weiteren Sondergipfel an.In den Tagen zuvor wird es zudem in kleinerer Runde am Rande des G20-Gipfels die Möglichkeit zu weiteren Sondierungen geben: An dem Treffen in Japan nehmen neben Tusk unter anderem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Italiens Regierungschef Giuseppe Conte und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teil.Die Staats- und Regierungschefs konzentrierten ihre Debatte zunächst vor allem auf eine Entscheidung zur Juncker-Nachfolge. Dabei standen bislang im Wesentlichen die drei Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten und der Liberalen im Fokus, also Manfred Weber, Frans Timmermans und Margrethe Vestager. Wie in Brüssel verlautete, sprachen sich elf der 28 Staats- und Regierungschefs klar gegen eine Wahl des CSU-Politikers Weber aus, allen voran Macron und die liberalen Ministerpräsidenten. Allerdings gibt es auch für Timmermans und Vestager nicht genügend Unterstützung aus den EU-Mitgliedsländern.Im Europaparlament ist die Situation ähnlich verfahren: Auch hier hatte es Weber nicht geschafft, eine Mehrheit hinter sich zu bringen, obwohl die EVP weiterhin die größte Fraktion bildet. Im Vorfeld des EU-Gipfels hatten die sozialdemokratische und die liberale Fraktion erklärt, eine Wahl Webers nicht mittragen zu wollen. Die EVP hatte im Gegenzug dann gleich klargemacht, sie werde auch nicht für Timmermans oder Vestager stimmen. CSU-Chef Markus Söder zeigte sich enttäuscht und erklärte, sein Parteifreund Weber sei der “demokratisch legitimierte Kommissionspräsident”.Nach Einschätzung von Frankreichs Präsident Macron sind damit alle drei Spitzenkandidaten “vom Tisch”, da sie nicht genügend Unterstützung hätten. “Das ermöglicht uns, den Prozess neu zu starten”, sagte er. Namen nannte Macron nicht. In Brüssel kursieren als mögliche Ersatzkandidaten allerdings schon länger Namen wie der von Brexit-Verhandler Michel Barnier oder IWF-Chefin Christine Lagarde.Bundeskanzlerin Merkel sagte nach dem Gipfel, man müsse den Bericht von Tusk zur Personaldebatte zur Kenntnis nehmen. “Das ist ein Befund, der uns vor Herausforderungen stellt.” Es dürfe aber auf keinen Fall zu einer interinstitutionellen Krise mit dem EU-Parlament kommen, in dem der Rat nun Personalvorschläge mache, die das Parlament nicht akzeptieren könne. Merkel selbst schloss erneut deutlich aus, dass sie selbst ein Amt in Brüssel übernehmen könnte.Tusk solle daher mit den Fraktionen weiter verhandeln und ein Paket “mit ausgewogenen Kräfteverhältnissen” schnüren. Merkel unterstützt das Spitzenkandidaten-Modell weiter. Wenn künftig noch transnationale Wahllisten dazukämen, bekäme die EU ein wirklich transparentes Verfahren, betonte sie.Eine Lösung in der Personalfrage, die auch das künftige Führungspersonal im EU-Rat, EU-Parlament, der Europäischen Zentralbank sowie den Posten des EU-Außenbeauftragten mit einbezieht, soll bis Ende Juni gelingen. Denn das neue EU-Parlament will am 2. Juli zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen und am gleichen Tag noch seinen neuen Präsidenten wählen.