IWF-Direktorin Georgiewa

„KI trifft den Arbeitsmarkt wie ein Tsunami“

Künstliche Intelligenz birgt Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, könnte aber die globale Ungleichheit verschärfen. Der IWF warnt vor Auswirkungen auf Arbeitsmärkte.

„KI trifft den Arbeitsmarkt wie ein Tsunami“

„Ein Tsunami für den Arbeitsmarkt"

IWF-Direktorin warnt vor Risiken von KI und sieht in der Technik dennoch eine große Hoffnung für die Menschheit

mpi Washington

Künstliche Intelligenz hat großes Potential, den weltweiten Wohlstand zu vergrößern, aber auch die ohnehin schon hohe globale Ungleichheit zu verschärfen. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns, damit KI die Welt zu einem besseren Ort macht“, sagte IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa bei einer Diskussionsrunde auf der Jahrestagung des Währungsfonds in Washington.

Dem stimmt der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2024, Simon Johnson, zu. Er hält nicht nur die Produktivitätsgewinne für möglicherweise überschätzt, sondern warnt auch vor Abwärtsdruck auf die Löhne. „Wo entstehen denn die ganzen gut bezahlten Jobs für diejenigen, die durch KI ihren Arbeitsplatz verlieren werden?“, fragt der Professor am MIT während der Diskussionsrunde. Produktivitätssteigerungen würden nicht unbedingt zu mehr Wohlstand für die breite Masse der Gesellschaft führen.

Disruption für Arbeitsmarkt

Die Disruption für die Arbeitsmärkte sieht auch der IWF. Nach Berechnungen des Währungsfonds werden in den kommenden Jahren in Industrieländern 60% der Jobs durch KI entweder ersetzt oder das Stellenprofil wandelt sich. In Entwicklungsländern sind es 40%, in den ärmsten Staaten der Welt 26%. „KI trifft den Arbeitsmarkt wie ein Tsunami und ich bin mir nicht sicher, ob wir darauf ausreichend vorbereitet sind“, sagte Georgiewa.

Dass in den Industrieländern mehr Jobs von KI betroffen sind, ist für die Entwicklungsländer keine gute Nachricht. Denn dies dürfte die Produktivitätsunterschiede zu den Industriestaaten vergrößern. „Es ist essentiell, dass wir anerkennen, dass KI die Ungleichheit verschärfen kann“, sagte Mohammed Al-Jaadan, Finanzminister von Saudi-Arabien. Nicht jeder Staat hätte die finanziellen Mittel, die digitale Infrastruktur und ausreichend ausgebildete Arbeitskräfte, um KI in großem Stil zu nutzen. Ein Viertel der Weltbevölkerung hat nicht mal Zugang zum Internet.

Fehlende Infrastruktur

Der IWF muss laut Georgiewa aktiv danach suchen, wo in den verschiedenen Ländern jeweils die Hürden für die Implementierung von KI liegen und wo die Chancen. Dazu gehöre auch, Ratschläge für die Fiskalpolitik zu erteilen, wo staatliche Gelder am besten eingesetzt werden sollten. Al-Jadaan sieht auch die Regierungen in der Verantwortung, die Bildungssysteme anzupassen. „Die Schüler müssen auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt vorbereitet werden“, sagte er. „Zudem brauchen sie das Skillset, um KI effektiv einzusetzen.“

Georgiewa sieht durch KI nicht nur Risiken für den Arbeitsmarkt, sondern auch für die Finanzstabilität. „Wenn KI automatisiert Geldflüsse verschiebt, kann es gefährlich werden“. Eine andere Gefahr für die Finanzstabilität liege in den hohen Bewertungen von Tech-Firmen. Sollte die Begeisterung der Investoren in Enttäuschung umschlagen, wäre eine abrupte Kurskorrektur mit möglichen destabilisierenden Effekten die Konsequenz.

KI kann nach Schätzungen des IWF das weltweite Wirtschaftswachstum um 0,1 bis 0,8% steigern. Sollte der Zugewinn am oberen Ende der Skala liegen, würde er die Produktivitätsverluste der vergangenen Jahre wettmachen. Von 2000 bis zur Corona-Pandemie lag das durchschnittliche jährliche weltweite Wirtschaftswachstum bei 3,7%. In der neuesten Ausgabe des World Economic Outlook prognostiziert der IWF für nächstes Jahr nur 3,1%. Die Hälfte der Differenz entsteht durch geringere Produktivität. Die andere Hälfte durch Faktoren wie geopolitische Unsicherheiten und Zölle.

Bessere Gesundheit durch KI

„Ich bin sehr optimistisch, was das Potential von KI zur Stärkung der Produktivität geht“, sagte Georgiewa. Johnson vom MIT attestiert der Technologie zwar auch viel Potential, doch Automatisierung von einfachen Prozessen genügten nicht, um die Hoffnungen in die Produktivitätsgewinne zu erfüllen. „KI muss auch stärker neue Geschäftsmodelle ermöglichen.“

Ruth Porat, CIO von Alphabet, Mutterkonzern von Google, betonte noch eine weitere Weise, wie KI zu mehr Wohlstand beitragen könne. Die Technologie könne das Gesundheitssystem stark verbessern. So werde KI schon zur Früherkennung von Krankheiten eingesetzt. Gesündere Menschen sind leistungsfähiger.