Konservative Richter lassen Trump im Stich
Die mehrheitlich konservative Besetzung des Obersten Gerichtshofs durch den früheren US-Präsidenten Donald Trump feierten die Republikaner seinerzeit als einen großen politischen Erfolg des Immobilienunternehmers. Insbesondere war der Präsident sicher, dass vermeintlich loyale Richter durchweg Urteile fällen würden, die ihm politisch und finanziell nutzen. Die jüngste Entscheidung des Supreme Court, den Privatbürger Trump zur Offenlegung seiner Steuererklärungen zu zwingen, liefert hingegen ein weiteres Beispiel dafür, dass dessen Rechnung nicht aufgegangen ist. Während Trump sich beschwerte, dass „der Supreme Court mich offenbar nicht mag“, feiern Experten die Prinzipientreue und Konsequenz der hohen Richter als Triumph der Rechtsstaatlichkeit.
Während seiner vier Jahre im Amt hatte Trump die seltene Gelegenheit, ein Drittel des neunköpfigen Richtergremiums neu zu besetzen. Neil Gorsuch und Amy Coney Barrett traten die Nachfolge der verstorbenen Richter Antonin Scalia und Ruth Bader Ginsburg an, während Brett Kavanaugh den Stuhl seines früheren Mentors Anthony Kennedy übernahm. Kennedy war 2018 freiwillig zurückgetreten.
Mit insgesamt sechs konservativen Mitgliedern des Supreme Court waren die Republikaner sich sicher, dass neue Grundsatzurteile Abtreibungen blockieren, Einwanderungsgesetze verschärfen und Bemühungen, striktere Waffengesetze zu verabschieden, torpedieren würden. Eingetreten ist aber das Gegenteil. Das Gericht verbot dem Weißen Haus, das von Trumps Vorgänger Barack Obama ins Leben gerufene DACA-Programm zu kippen. DACA soll bis zu elf Millionen illegalen Einwanderern, die Steuern zahlen, eine Ausbildung haben oder im Militär gedient haben und nicht vorbestraft sind, einen Weg zur Einbürgerung ebnen. Ein anderes Urteil weitete Rechte der LGBTQ-Gemeinde aus. Auch hob der Gerichtshof ein Gesetz aus Louisiana auf, das Schwangerschaftsabbrüche dort praktisch unmöglich gemacht hätte.
Entscheidend war in mehreren Fällen das Votum des obersten Richters John Roberts, der zwar ein moderater Republikaner ist, aber die Unabhängigkeit des Gerichts wahren will. Roberts wollte nach eigenen Angaben „verhindern, dass wir zu einer politischen anstelle einer rechtlichen Instanz werden“. Die höchsten Wellen schlugen Roberts und seine Kollegen mit Urteilen, die Trump persönlich betrafen.
So wiesen sie das Argument zurück, dass ein amtierender Präsident Amnestie genieße und über dem Gesetz stehe. Auch blockierte der Gerichtshof später die Versuche von Trumps Anwälten und republikanischen Organisationen, durch Klagen in mehreren der „swing states“ die Niederlage bei der Präsidentschaftswahl anzufechten. Dabei dürfte kein Urteil den früheren Präsidenten so hart getroffen haben wie jenes, das nun Manhattans Staatsanwalt Cyrus Vance Zugang zu Trumps Steuererklärungen verschafft. Jahrelang hatte sich Trump dagegen mit Händen und Füßen gewehrt.
Wie Ermittlungen der „New York Times“ ergaben, der eine anonyme Quelle bereits zahlreiche der Steuerunterlagen zugespielt hatte, hat der 45. Präsident in seinem ersten Jahr im Amt nur 750 Dollar an Einkommensteuer gezahlt. In zehn der vorangegangenen 15 Jahre hatte er gar nichts an das Finanzamt überwiesen. Vance dürfte es aber nicht nur um mögliche Steuerhinterziehung gehen. Rechtsexperten vermuten, dass der Staatsanwalt auch feststellen will, ob der ehemalige Präsident Vermögenswerte übertrieb, um Bankkredite zu erhalten. Auch wer die Gläubiger sind, bei denen in den kommenden zwei Jahren über 400 Mill. Dollar an privaten Krediten fällig werden, interessiert Vance.
Unter die Lupe genommen haben Vance und New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James nicht nur den früheren Präsidenten. Auch stehen dessen Kinder Don Jr., Ivanka und Eric im Fadenkreuz und sind Gegenstand der Ermittlungen. „Alles deutet darauf hin, dass Vance und James nicht einfach herumstöbern, sondern es absolut ernst meinen und bereits handfeste Beweise haben“, glaubt Elie Honig, früher stellvertretender Staatsanwalt im südlichen Bezirk von Manhattan. „Für die Trumps könnte das noch zu einem bösen Erwachen führen.“