Regierungspolitik

Krisen gefährden die Demokratie

Um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken, sollten Regierungen unterrepräsentierte Gruppen mehr einbinden und bessere Schutzmechanismen gegen unerwünschte Einflussnahme durch Lobbying und Korruption errichten, rät die OECD.

Krisen gefährden die Demokratie

Krisen gefährden die Demokratie

OECD-Studie empfiehlt Regierungen Maßnahmen zur Erhöhung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit

Um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken, sollten Regierungen unterrepräsentierte Gruppen mehr einbinden und bessere Schutzmechanismen gegen unerwünschte Einflussnahme durch Lobbying und Korruption errichten, raten die Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

wü Paris

Angesichts der zunehmenden, sich wiederholenden Krisen, denen Industrieländer ausgesetzt sind, müssen Regierungen mehr dafür tun, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Das ist die wichtigste Botschaft der jüngsten Studie „Government at a glance“, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Freitag veröffentlicht hat. Es habe eine Ära multipler, aufeinanderfolgenden Krisen begonnen, die die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit, die Sicherheit und das Wohlergehen gefährdeten – von der Covid-Pandemie über den Ukraine-Krieg, Energiekrisen bis zu geopolitische Spannungen. Jüngstes Beispiel für die Schocks, die die Demokratie gefährden können, sind die Krawalle der letzten Tage in Frankreich.

Grundsätzlich würden Regierungen schnell und angemessen reagieren, doch angesichts der zahlreichen Krisen sei das nicht mehr ausreichend, meinen die Experten der Organisation. Sie empfehlen den Regierungen der OECD-Mitgliedsländer, bessere Mechanismen für eine stärkere Einbindung der Bürger zu entwickeln. Denn die für die Studie in 22 Ländern gemachten Umfragen zeigen, dass nur 30% von ihnen finden, dass ihnen ein echtes Mitspracherecht eingeräumt wird. Zwar sind viele Menschen im Großen und Ganzen mit dem öffentlichen Dienst zufrieden, doch sie sind enttäuscht, wie die regierenden Politiker auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingehen, wie sie repräsentiert sind und welches Mitspracherecht ihnen eingeräumt wird. All das sorgt für Unzufriedenheit.

Die Autoren der OECD-Studie raten Regierungen deshalb, traditionell unterrepräsentierte Gruppen in der öffentlichen Entscheidungsfindung stärker einzubinden und Konsultationen von Bürgern systematischer, inklusiver und früher durchzuführen. So könnten etwa durch eine bessere Einbindungen von Frauen und jungen Bürgern in Politik und öffentlichen Einrichtungen Maßnahmen und Angebote besser auf sie abgestimmt werden, erklären sie. 2021 lag der Frauenanteil bei Ministerposten in den OECD-Ländern im Schnitt bei gerade mal 36%, während der Anteil junger Bürger im Alter von 20 bis 39 Jahren in den Parlamenten letztes Jahr nur 23% betrug, obwohl sie 34% der wahlberechtigten Bevölkerung ausmachen. 

Die Studie betont auch, wie wichtig eine glaubwürdige öffentliche Finanzverwaltung, angemessene finanzpolitische Regeln und die Identifizierung fiskaler Risiken seien, die potenziell zu einer starken Abweichung von den finanzpolitischen Prognosen führen könnten. Die Experten der OECD empfehlen den Regierungen dabei, die makroökonomischen Prognosen von unabhängigen Finanzinstitutionen beurteilen oder sogar ganz erstellen zu lassen.

Auch wenn die Zahl der Länder, die inzwischen Mechanismen für eine grüne Haushaltsplanung hätten, deutlich gestiegen sei, müssten die haushalts- und fiskalpolitischen Prozesse zur Bekämpfung der Klimakrise effektiver und transparenter gestaltet werden, urteilen sie. Die öffentlichen Finanzen könnten zudem besser auf die Auswirkungen von Klimarisiken vorbereitet werden.

Weiteren Handlungsbedarf haben die Autoren der Studie bei Vorkehrungen gegen Korruption im Hinblick auf Lobbying, politische Finanzierung und den Umgang mit Interessenkonflikten ausgemacht. So sei Lobbying besonders häufig nur mangelhaft reguliert, kritisieren sie. In 28 untersuchten OECD-Ländern seien nur 38% der Standards für die Regulierung von Lobbying in Kraft und nur 33% würden auch praktisch umgesetzt. Um die politische Entscheidungsfindung wirksam vor ungebührlicher Einflussnahme zu schützen, müssten gesetzliche Vorschriften und Transparenz verstärkt werden, fordert die OECD.

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