NOTIERT IN LONDON

Kulturkampf im Klassenzimmer

Der schwule Grundschullehrer Andrew Moffat ist mittlerweile weit über die Grenzen von Birmingham hinaus bekannt. Gegen seine Ideen, wie man Homophobie schon im frühen Kindesalter begegnen und die Gleichwertigkeit von LGBT-Beziehungen zeigen kann,...

Kulturkampf im Klassenzimmer

Der schwule Grundschullehrer Andrew Moffat ist mittlerweile weit über die Grenzen von Birmingham hinaus bekannt. Gegen seine Ideen, wie man Homophobie schon im frühen Kindesalter begegnen und die Gleichwertigkeit von LGBT-Beziehungen zeigen kann, demonstrieren nicht nur zahlreiche Eltern der Parkfield Community School im Stadtteil Saltley, deren 770 Schüler fast ausschließlich aus Familien mit muslimischem Hintergrund stammen. Islamisten versuchen, die Proteste gegen den stellvertretenden Rektor der Schule für sich zu nutzen. “Erziehung statt Indoktrination”, heißt es auf den Plakaten, die von den Demonstranten hochgehalten werden, “Lasst Kinder Kinder sein”, “Sagt Nein zur Sexualisierung von Kindern” und “Nein zur Unterminierung der elterlichen Rechte und Autorität”. Über Megafone wird die Entlassung des umstrittenen Lehrers gefordert, der reichlich Drohungen per E-Mail bekommt.Moffat macht aus seiner Homosexualität kein Geheimnis. Unter dem Titel “Challenging Homophobia in Primary Schools” hat er für den Birmingham City Council eine Art Lehrplan aufgestellt, der die Prinzipien des Gleichberechtigungsgesetzes aus dem Jahr 2000 hochhält. “Ich bin ein Lehrer, der zufälligerweise schwul ist”, sagte er dem “Independent”. “Mir sollte es möglich sein, überall sicher und bequem zu unterrichten.” Vor fünf Jahren gab er nach Protesten christlicher und muslimischer Eltern eine vergleichbare Position an der Chilwell Croft Academy auf.Unter dem Titel “No Outsiders” gibt es an der Parkfield Community School für die Kinder ab der Vorschule jährlich ein paar Unterrichtsstunden, in denen unter anderem Bücher über gleichgeschlechtliche Beziehungen und Ehen zusammen gelesen werden. Für die 2. Klasse gehört “Und Tango macht drei” von Justin Richardson und Peter Parnell dazu, eine Geschichte über zwei männliche Pinguine, die sich ein Küken wünschen und denen ein Zoowärter ein Ei überlässt. “Wie haben sich Roy und Silo wohl gefühlt, als sie feststellen mussten, dass sie kein Küken haben können?” heißt es in den Verständnisfragen dazu. Auch “König & König” von Linda de Haan und Stern Nijland steht auf der Liste. Darin geht es um einen Prinzen, der einen anderen Prinzen heiraten will. Diskutiert werden sollen Fragen wie: “Gibt es andere Märchen, in denen ein Prinz einen Prinzen heiratet und sie glücklich bis an ihr Ende leben? Warum nicht?””Wir schicken unsere Kinder nicht zur Schule, damit sie etwas über LGBT lernen”, zitiert der “Guardian” Fatima Shah, eine der Mütter. “Wir schicken sie zur Schule, damit sie Mathematik, Naturwissenschaften und Englisch lernen.” Sie hatte ihre zehnjährige Tochter zunächst aus der Schule genommen, weil sie die Themen nicht für dem Alter der Kinder angemessen hielt. “Wir haben nichts gegen Herrn Moffat, wir sind so britisch, wie man nur sein kann. Wir respektieren die britischen Werte. Das Problem ist, dass er unseren Ethos als Gemeinschaft nicht respektiert.”Der Kulturkampf wird nicht nur in den Klassenzimmern von Birmingham geführt. Mehr als 100 000 Menschen unterzeichneten eine Petition gegen den neuen Sexualkundelehrplan, der ab September kommenden Jahres für alle Schulen verbindlich wird und Grundschülern Respekt vor unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens, gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Transgender-Personen beibringen soll. Das ruft nach Berichten über Besuche von Drag Queens in Vorschulen bei manchen Eltern Besorgnis hervor. In einer pluralistischen Gesellschaft können traditionell orientierte Christen, Juden oder Muslime aber nicht einfach übergangen werden. Das sollte denjenigen, die sich sonst bei jeder Gelegenheit für Multikultur und Diversity aussprechen, klar sein. Es ist nicht Aufgabe der Schule, mit Cultural Engineering gegen die von den Eltern vermittelten Moralvorstellungen zu argumentieren. Wer sich über den religiösen und kulturellen Hintergrund der Familien einfach hinwegsetzt, bereitet Extremisten den Weg, die glauben, dass Kindern schon mit den Geschichten vom buntkarierten Elefanten Elmar (Regenbogen!) der Wunsch nach homosexuellen Begegnungen eingepflanzt werden soll. Birmingham ist in dieser Hinsicht ein soziales Versuchslabor, das man im Auge behalten sollte.