Lokomotive Deutschland
Wer im Juni die Zeitung zur Hand genommen hat, der konnte schnell Zukunftsängste bekommen. Schlagzeilen über einen bevorstehenden Handelsstreit, ja Handelskrieg, machten die Runde. Volkswirte kalkulierten schon durch, was der Zusammenbruch globaler Wertschöpfungsketten an Wachstum kosten könnte, und nicht selten endeten ihre Berechnungen in Rezessionsszenarien. Die Negativerwartungen schlugen sich dementsprechend auch in den einschlägigen Frühindikatoren für die Konjunktur nieder. Jetzt aber hat das Statistische Bundesamt harte Daten vorgelegt – und siehe da: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zurückliegenden zweiten Quartal um das Zehntel eines Punktes stärker gewachsen, als das Volkswirte erwartet hatten – nämlich um 0,5 %, wenn das Vorquartal zum Vergleich herangezogen wird. Wichtiger noch: Das Wachstum fiel auch stärker aus als die (nach oben revidierten) 0,4 % zu Jahresbeginn. Das wird wohl auch in Luxemburg überrascht haben. Denn Eurostat musste seine zweite Schätzung für das BIP in der Eurozone um das Zehntel eines Punktes nach oben revidieren: 0,4 % statt der 0,3 % in der ersten Schätzung lautet das Plus gegenüber dem ersten Quartal. Deutschland ist nicht nur die größte Volkswirtschaft der Eurozone, es ist auch ihre Wachstumslokomotive. Spaniens Wirtschaft wuchs zwar um 0,6 %, das aber ist das niedrigste Plus seit vier Jahren. Dabei punktet Deutschland in Disziplinen, in denen es lange Zeit schwächelte. Noch vor einem halben Jahrzehnt ermahnte der damalige EU-Kommissar Olli Rehn Deutschland, mehr zu konsumieren, damit Europa in Schwung kommt. Die Triebfeder des Wachstums im zweiten Quartal 2018 war der Binnenkonsum, getragen von den privaten Haushalten, was keine neue Entwicklung ist. Stützend wirkten aber eben auch höhere Staatsausgaben, die im Vorquartal noch rückläufig waren und das BIP-Wachstum gedämpft hatten. Auch die Investitionen in Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen legten zu. Für das Gesamtjahr ist ein Wirtschaftswachstum mit einer Zwei vor dem Komma in Reichweite. Anhaltend kräftige Beschäftigungszuwächse lassen eine günstige Entwicklung der verfügbaren Einkommen vermuten und auf eine robuste Konsumnachfrage im zweiten Halbjahr schließen. Natürlich lassen sich Sorgen um drohende Handelskriege nicht einfach als Hirngespinste abtun. Aber es hilft durchaus, sich auf seine eigenen Stärken zu besinnen.