Manfred J. M. Neumann
lz – “Mario Draghi ist leider nicht der, für den wir ihn anfangs gehalten haben. Er ist kein konservativer Banker, sondern ein Politiker im Gewande des Technokraten. Er spielt mit dem Feuer. Aber noch halte ich ihn für zu rational, um den endgültigen Absturz des Euro zu riskieren. Wir können nur hoffen, dass ich mich nicht irre.” Der Autor, der diese Zeilen im Januar 2015 geschrieben hat, ist der deutsche Ökonom Manfred J. M. Neumann. Seit die EZB im Zuge der Finanzkrise immer größere geldpolitische Kaliber eingesetzt hat, hatte er wortgewaltig vor den ökonomischen Nebenwirkungen sowie vor dem damit beschleunigten Verfall der Notenbankunabhängigkeit gewarnt. Ob seine Hoffnung sich noch bewahrheitet, kann er nun nicht mehr verfolgen. Manfred J. M. Neumann ist am vergangenen Wochenende verstorben.Schon seit dem Start der Eurozone hat sich Neumann, zuletzt Professor emeritus am Institut für Internationale Wirtschaftspolitik der Universität Bonn, gegen die Einführung des Gemeinschaftsgeldes ausgesprochen. 1998 unterschrieb er zusammen mit 154 weiteren Professoren den Aufruf “Der Euro kommt zu früh”. Allerdings war es zu der Zeit bereits zu spät, um noch eine komplette Verschiebung des Projekts erwarten zu können.Zuletzt warnte er die EZB vor Selbstüberschätzung und hinterfragte ihre Definition der Preisstabilität. Es sei falsch, immerzu darauf hinzuweisen, dass man für eine mittelfristige Inflationsrate in Höhe von knapp 2 % zu sorgen habe, schrieb er. Das der EZB aufgetragene Mandat laute schlicht, für Preisstabilität zu sorgen. Eine Zielrate werde im EU-Vertrag nicht genannt. Die Zielinflationsrate “von unter, aber nahe bei 2 %” sei 2003 selbst gesetzt worden. Ob es angebracht sei, einen geringeren Wert zu wählen, etwa zwischen 0,75 und 1,5 %, bedürfe der empirischen Untersuchung. Neumann: “Es ist an der Zeit, dass der EZB-Rat solche Untersuchungen veranlasst.”Neumann studierte Volkswirtschaftslehre in Göttingen, Erlangen-Nürnberg und Marburg. Nach wissenschaftlichen Tätigkeiten bei der Bundesbank, der Universität Konstanz, der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und an der Freien Universität Berlin folgte er 1981 einem Ruf an die Uni Bonn. Dort war er bis zu seiner Emeritierung 2006 Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften und Wirtschaftspolitik sowie Direktor des Instituts für internationale Wirtschaftspolitik.