NOTIERT IN MOSKAU

Mannomann - was Frau alles kann

Hätten die Gender-Bewegung und die feministische Political Correctness Russland erreicht, stünde vermutlich das alte Patronym längst vor seiner Abschaffung. Eine Hand voll Aktivistinnen hat dieses kulturell-sprachliche Phänomen des Vatersnamens vor...

Mannomann - was Frau alles kann

Hätten die Gender-Bewegung und die feministische Political Correctness Russland erreicht, stünde vermutlich das alte Patronym längst vor seiner Abschaffung. Eine Hand voll Aktivistinnen hat dieses kulturell-sprachliche Phänomen des Vatersnamens vor einiger Zeit einmal zu thematisieren versucht. Die Resonanz blieb dann erwartungsgemäß aber doch aus.Der Vatersname in der Namenskultur ist freilich kein Alleinstellungsmerkmal der Russen. Schon im alten Griechenland hat ein Kind neben dem Vornamen und dem Familiennamen eben auch den Vatersnamen mit der entsprechenden Endung getragen. Der berühmte Held Achill hieß auch Pelides, also Sohn des Peleus. Wobei der Vatersname generell überall dort sehr funktional war, wo es viele Kinder gab, die Nachbarn sich die zahlreichen Vornamen nicht merken wollten und daher jedes Kind mit der Ableitung vom Vatersnamen angeredet haben. Andernorts wurden Vatersnamen überhaupt beizeiten zum Familiennamen wie in Schweden, wo Herr und Frau Petterson ursprünglich einfach die Kinder eines Mannes namens “Petter” waren. Oft – wie in Schweden – hatte die Verwandlung zum Familiennamen damit zu tun, dass das Patronym irgendwann per Erlass abgeschafft wurde.Wie dem auch sei: In Russland trägt bis heute jeder drei Namen. Putin beispielsweise heißt Wladimir Wladimirowitsch (Sohn eines Vaters, der Wladimir hieß). Und die Opernsängerin Netrebko heißt Anna Jurjewna (Tochter eines Vaters namens Juri). Bei einer höflichen Anrede, also wenn Leute sich siezen, werden Vor- und Vatersname verwendet, nicht jedoch der Familienname. Einmal abgesehen davon, dass man, wenn man über Putin redet, WWP sagt, die Initialen seiner drei Namen, die im Russischen kurioserweise auch die Abkürzung für das Bruttoinlandsprodukt sind. Aber das hat mit dem Patronym nun nichts zu tun.Es gäbe wohl effizientere Exerzierfelder, um geschlechtliche Diskriminierung in Russland zu thematisieren, als das Patronym. Wollte man bei der Sprache beginnen, so drängte sich etwa die Formulierung auf, dass das Wort “verheiratet” im Falle einer Frau wörtlich heißt, sie sei nun “hinter dem Mann”.Stimmt in den meisten Familien natürlich nicht. Anders im politischen und wirtschaftlichen Leben. Zwar werden viele Klein- und Mittelunternehmen, die in Russlands Wirtschaftsstruktur allerdings keine systemtragende Funktion haben wie in Westeuropa, von Frauen geleitet. Aber im russischen Parlament findet sich kaum eine Abgeordnete, und auch so gut wie keine Frau schaffte es an die Spitze eines der großen Konzerne.Mit einer Ausnahme: Der Posten eines Finanzvorstandes wird gern in die Hände von Frauen gegeben. Wie übrigens innerfamiliär schon zu Sowjetzeiten die Frauen beim Geld das Sagen hatten. Und wie sie übrigens seit jeher dann gefragt sind, wenn Krise herrscht, wie das etwa gerade in den 1990er Jahren der Fall war.So verwundert es auch nicht sehr, dass die russische Zentralbank von einer Frau geleitet wird. Wiewohl: Als die heute 56-jährige Ökonomin Elwira Nabiullina 2013 mit der Geldpolitik betraut wurde, war sie nicht die erste Wahl. Der von Putin erkorene Mann aber hatte ob seiner dubiosen Positionen das gesamte Establishment bei Putin vorstellig werden lassen, so dass dieser Nabiullina wählte.Heute gibt sie nicht nur in der Geldpolitik den Ton an, sie ist sogar zu einer der mächtigsten Figuren in der Wirtschaftspolitik geworden. Sie hat in ihrer Amtszeit Hunderte dubiose Banken zugedreht, den Wechselkurs des Rubel freigegeben und die historisch hohe Inflation gedrückt. Und ihre Rolle ist angesichts der Tatsache, dass sich die Wirtschaft seit Jahren in einer Stagnation befindet, noch wichtiger geworden.Die Hoffnung ist, dass Nabiullina mit ihren Instrumentarien auch noch die Wirtschaft stimuliert, obwohl das nicht dezidiert ihre Aufgabe ist. In der Tat senkte sie entgegen ihrer jahrelang konservativen Haltung seit Jahresbeginn den Leitzins rasant. Illusionen aber hat sie keine. Denn oft genug hat sie kundgetan, dass das Wachstum auf 2 % beschränkt bleibe, wenn keine substanziellen Reformen durchgeführt werden. Im Klartext: Der Mann an der Spitze des Landes macht seinen Job nicht.