Notiert in BrüsselEssen

Das Königreich der Kohlenhydrate

In Brüssel kann man lecker essen – und kalorienreich. Ein kulinarischer Höhepunkt ist das Mitraillette: ein halbes Weißbrot mit Merguez, Sauce und natürlich Pommes. Nicht dazu, sondern zwischen den Brothälften.

Das Königreich der Kohlenhydrate

Notiert in Brüssel

Das Königreich der Kohlenhydrate

Von Detlef Fechtner

In Belgien mag man vieles vermissen. Aber sicher nicht leckere, kohlenhydratreiche Mahlzeiten. Kronzeuge dafür ist niemand Geringeres als Obelix, der begeistert ist, als ihm „bei den Belgiern“ ein vermeintlich „frugales Mahl“ angeboten wird.

Start mit Fritten

Beginnen wir – schließlich geht es um Belgien – mit Fritten. Nicht nur, dass sie überall zwischen Lüttich und Brügge zweimal nacheinander in die Fritteuse geworfen werden (deswegen sind sie niemals trocken). Noch dazu gibt es zur Auswahl nicht nur Ketchup und Mayo, sondern mindestens genauso sättigende Saucen wie Cocktail, Samurai oder Bicky. Der kulinarische Höhepunkt ist natürlich das Mitraillette, das „Maschinengewehr“. Ein französisches Weißbrot wird halbiert und in der Mitte aufgeschnitten, um es mit Merguez oder Frikandel zu füllen sowie mit Cocktail- oder Samurai-Sauce – und mit einer großen Portion Pommes. Zugegebenermaßen ist es nicht ganz einfach, diesen belgischen Super-Burger zu verspeisen. Aber er schmeckt großartig – und sättigt für die nächsten 24 Stunden. Mindestens.

Wer lieber etwas Leichteres zu sich nehmen möchte, dem sei ein Sandwich Americaine Martino anempfohlen. Als Filet Americaine bezeichnet der Belgier eine Art Tartar, der bereits mit Mayonnaise, Ketchup und Tomatenmark sowie Worcestersauce vermischt worden ist. Selbstverständlich gibt es in Belgien auch anspruchsvollere Gerichte. Aber auch die haben gemeinhin reichlich Kalorien und Kohlenhydrate. Carbonade à la flamande, also Schmorfleisch-Eintopf mit Schweine- und Rindergulasch. Oder Waterzooi, Fisch oder Huhn in einem Sud von Möhren, Sellerie, Petersilienwurzel, Zwiebeln und Lauch – wobei ein Schluck Weißwein nicht fehlen darf. Ich habe erlebt, dass es in Leuven den Patienten sogar im Krankenhaus serviert worden ist – als Festessen an Ostern, zusammen mit einem (allerdings alkoholfreien) Stella Artois.

Der Bierbauch

Apropos Bier: Die Freude an kräftigem Essen und eben auch Bier ist wohl die Ursache dafür, dass das Zeichen für „Belgien“ in mehreren Taubstummensprachen dieser Welt ist, vor dem Bauch eine halbkreisrunde Bewegung mit der Hand auszuführen – also einen Bierbauch nachzuzeichnen. Derweil ist die größte Wertschätzung, die man als Landesfremder erleben kann, sofern man sich der landesüblichen Lebensweise angenähert hat, dass einen die Einheimischen als „Demi Frite“ huldigen, als immerhin „halbe Fritte“.

Pralinen dürfen nicht fehlen

Und wenn nun schon so viel von Fritten die Rede war, dürfen natürlich einige Worte über Pralinen nicht fehlen. Wer Brüssel besucht, wird von seinen Gastgebern oder Fremdenführern gerne an den Grand Sablon gelotst, um ihm dort die Auslagen von Marcolini, Neuhaus und Wittamer zu zeigen. Nichts gegen die Blue Chips der Pralinenkunst. Aber wenn Sie irgendeine Chance haben, stehlen Sie sich in eine Nebenstraße und suchen Sie eine kleine Pralinerie auf – Sie müssen dann wahrscheinlich auf eine extravagante Verpackung verzichten, werden aber oft mit den fantastischsten Gaumenfreuden belohnt.

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