NOTIERT IN BERLIN

Ministerwechsel im Wirtschaftsressort

Mit Brigitte Zypries (SPD) steht erstmals eine Frau an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums. Noch-SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat den Platz geräumt, um für wenige Monate bis zur Bundestagswahl Außenminister zu sein. Zypries war bislang...

Ministerwechsel im Wirtschaftsressort

Mit Brigitte Zypries (SPD) steht erstmals eine Frau an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums. Noch-SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat den Platz geräumt, um für wenige Monate bis zur Bundestagswahl Außenminister zu sein. Zypries war bislang parlamentarische Staatssekretärin bei Gabriel. Eingewöhnungszeit braucht sie damit keine und steht für Kontinuität in einem Haus, das von Ministerwechseln und Umstrukturierungen geplagt scheint. Gefühlt dürfte es in der Geschichte der Bundesrepublik doppelt so viele Wirtschafts- wie Finanzminister gegeben haben. Doch der Eindruck trügt: die Zahlen sind fast gleich. Zypries ist das 19. neue Gesicht an der Spitze des Hauses, Wolfgang Schäuble (CDU) der 18. Finanzminister seit Bestehen der Bundesrepublik.Die Ursache dafür liegt in den Anfängen. Als Wirtschaft und Finanzen unter Superminister Karl Schiller (SPD) – seit 1966 im Amt – 1971 zusammengelegt wurden und die “Globalsteuerung” en vogue war, hatten an der Spitze des Finanzministeriums zuvor sieben Minister gestanden, an der im Wirtschaftsressort nur zwei: Ludwig Erhard bis 1963 und Kurt Schmücker (beide CDU). Erhards soziale Marktwirtschaft bescherte Deutschland das Wirtschaftswunder. Das Superministerium Schillers hielt indes nicht lang. Schon 1972 trennte sein Nachfolger Helmut Schmidt (SPD) beide Häuser wieder. Dabei wechselte die Zuständigkeit für Geld-, Kredit-, und Währungswesen sowie für Bank-, Börsen- und Versicherungspolitik zum Bundesfinanzministerium. Manche behaupten, von diesem Bedeutungsverlust habe sich das Wirtschaftsministerium nie erholt. Im Kabinett Schmidt war von 1972 an Hans Friderichs (FDP) Ressortchef. 1977 wechselte er in den Vorstand der Dresdner Bank. Ein politisches Machtzentrum wurde das Haus wieder unter Otto Graf Lambsdorff (FDP). Sein Papier zur “Überwindung der Wachstumsschwäche und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit” führte 1982 zum Bruch der sozial-liberalen Koalition und bescherte Helmut Kohl die Kanzlerschaft. Nach dem Rücktritt Lambsdorffs 1984 führte interimistisch Finanzminister Manfred Lahnstein (SPD) das Haus. Es folgten FDP-Männer: Martin Bangemann (bis 1988), Helmut Haussmann (1991), Jürgen Möllemann (1993) und Günter Rexrodt (1998). Die SPD versprach im Wahlkampf 1998 einen Fachmann und lieferte den Manager Werner Müller. Der musste den rot-grünen Atomausstieg verhandeln. In der zweiten Amtszeit Schröder wurde Wolfgang Clement (SPD) 2002 Wirtschaftsminister. Er führte ein erweitertes Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. In diese Zeit fielen die Hartz-IV-Reformen. 2005 übernahm Michael Glos (CSU), musste aber den Bereich Arbeit wieder an das Sozialministerium abgeben. Nach einem Gastspiel von Karl-Theodor zu Guttenberg 2009 kam wieder die FDP ans Ruder: mit Rainer Brüderle (bis 2011) und Philipp Rösler (2013). Beständiges Element im Ministerium war viele Jahre Otto Schlecht. Von 1973 bis 1991 drückte der parteilose Staatssekretär dem Haus unter acht Ministern und drei Kanzlern einen marktwirtschaftlichen Stempel auf.