NOTIERT IN MADRID

Mit Christus in den Osterwahlkampf

Die Entscheidung von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, die Parlamentswahlen auf den 28. April vorzuziehen, hat zur Folge, dass die Osterwoche mitten in die heiße Endphase des Wahlkampfes fällt. Die "semana santa" ist in Spanien eine sehr...

Mit Christus in den Osterwahlkampf

Die Entscheidung von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, die Parlamentswahlen auf den 28. April vorzuziehen, hat zur Folge, dass die Osterwoche mitten in die heiße Endphase des Wahlkampfes fällt. Die “semana santa” ist in Spanien eine sehr ernste Angelegenheit. Jeder, der kann, gönnt sich einen Kurzurlaub und die Osterprozessionen ziehen Massen an heimischen und auswärtigen Besuchern an. Während manche Parteistrategen Bedenken haben, wie weit man die Wähler und Wählerinnen in diesen Tagen mit politischen Botschaften bombardieren sollte, sehen andere in der tiefverwurzelten Tradition der Prozessionen, die monatelang von den “cofradías”, den Bruderschaften, im ganzen Land mit Hingebung vorbereitet wurden, eine ideale Bühne. Hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, sind es Politiker rechts der Mitte, die sich gerne unter die Bruderschaften mischen und am besten selbst mitanpacken, wenn es darum geht, die lokale Figur des Christus und der Heiligen Mutter durch die Straßen zu tragen. So etwa der Vorsitzende und Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei, Pablo Casado, der sich am letzten Wochenende das Gewand der altehrwürdigen Hermandad Universitaria del Santísimo Cristo de los Estudiantes y María Santísima de la Sabiduría in der Provinzstadt Avila überzog. Es ist aber vor allem eine Prozession, die für konservative Politiker wie Casado, die ganz im globalen Trend das Identitäre und den Nationalstolz zu ihrem Markenzeichen machen, besonders wertvoll ist. In Málaga wird am Gründonnerstag der Cristo de la Buena Muerte, der “Christus des Guten Todes”, von Soldaten der Legion und der Marine getragen und salutiert, mit martialisch-religiösen Gesängen und Bekenntnissen zu Kirche und Vaterland. Im vergangenen Jahr waren an der Veranstaltung, die live im Fernsehen läuft, gleich vier Minister der damaligen konservativen Regierung von Mariano Rajoy anwesend. Dieses Jahr hatte sich die Zahl der Presseakkreditierungen auf 300 verdoppelt, denn die Medien rechneten mit dem Schaulaufen der Spitzen der drei Parteien, die sich das Lager rechts der Mitte streitig machen: die PP von Casado, die rechtsliberale Ciudadanos von Albert Rivera und die rechtsradikale Vox mit ihrem Kandidaten Santiago Abascal. Aber das war für die Mitglieder der Congregación de Mena dann wohl doch zu viel Rummel. Sie baten die Parteien, ihre Kandidaten nicht nach Málaga zu schicken, “um zu verhindern, dass damit unsere Festakte zur Wahlkampfveranstaltung werden”. Die Spitzenpolitiker verstanden den Grund der Absage – “der eine besser als der andere”, so einer der Veranstalter – und beteuerten allesamt, dass sie sowieso nur in privater Sache an dem religiösen Akt teilnehmen wollten.Zum Glück können sich die Politiker über Ostern aber noch auf anderen, wenn auch weniger medienwirksamen, Prozessionen blicken lassen. Außer Vox. Die Rechtsradikalen lassen am Gründonnerstag und Karfreitag ihren Wahlkampf ruhen – Spitzenmann Abascal wollte in Málaga schließlich nur als Privatmensch anwesend sein. Damit wird die Partei, die allen Umfragen nach sicher erstmals ins nächste Parlament einziehen wird, ihrer selbstaufgetragenen Rolle als Hüter der Ostertraditionen gerecht. In Andalusien, wo Vox die Minderheitsregierung von PP und Ciudadanos unterstützt, verlangt sie ein eigenes “Gesetz zum Schutz der Volkskultur und der Traditionen”, das den Flamenco ebenso umfasst wie die Osterprozessionen. Den Rechten kommen dabei die auch in Spanien üblichen Falschmeldungen auf sozialen Netzwerken über vermeintliche Forderungen von Muslimenverbänden und Linken nach der Abschaffung der “semana santa” gelegen. Eine wahre Meldung war dagegen die Festnahme eines Dschihadisten, der offenbar zu Ostern in Sevilla einen Anschlag geplant hatte. PP-Spitzenmann Casado nahm dies zum Anlass, seine Partei als obersten Garanten der nationalen Sicherheit vor der Gefahr des islamistischen Terrors zu präsentieren, und zwar “ohne Komplexe”, die Floskel aus dem Lehrbuch der neuen rechtspopulistischen Politik, die auch anderswo auf der Welt derzeit Erfolg hat. In den Umfragen liegen die Konservativen weiterhin deutlich hinter den Sozialisten von Sánchez. Doch zu Ostern geschehen ja angeblich Wunder.